Gehörlosen-KULTUR? Wie kann eine Behinderungsart als Kultur
bezeichnet werden? Gibt es auch eine Kultur der Einarmigen, der
Rollstuhlfahrer, der Stotterer usw.? Es ist oft schwer,
Außenstehenden die Besonderheit, ja Einzigartigkeit der
Gehörlosigkeit zu vermitteln. Ja, Gehörlose sind behindert, in der
Wahrnehmung von Geräuschen und in der Kommunikation mit Hörenden.
Aber auch JA, sie haben ihre eigene Sprache und darauf basierend
ihre eigene Kultur. Und wenn Hörende in die Welt der Gehörlosen
eintauchen, machen sie ganz neuartige und oft begeisternde
Erfahrungen.
So ist es auch Franziska Ehrhardt ergangen. Als Hörende war sie auf
der Feier eines Gehörlosenvereins total fasziniert von der
„visuellen Lautstärke“, die sie umgab. Es herrschte
Stille, und dennoch wurde so viel gesagt. Sie hat sich in diese
Sprache und Welt hinein begeben, und als studierte
Kulturanthropologin hat sie sogleich ein Buch darüber geschrieben:
„Unsere Welt ist visuell – Über die Kultur der
Gehörlosigkeit“. Nun kann man sich fragen, wie eine so junge
Hörende, die sich selbst ehrlicherweise als
„Gebärdensprachbehinderte“ bezeichnet, sich nach nur
etwa zwei Jahren ein Urteil über eine fremde Kultur erlauben kann.
Doch, sie kann! Es ist halt die Frage, wie intensiv sie eingetaucht
ist. Sehr intensiv, das muss man schon sagen. Sie hat nicht nur
Berge von Fachliteratur zu Rate gezogen, sondern eben auch
persönliche Kontakte geknüpft – und sie hat vor allem
Betroffene zu Wort bzw. Gebärde kommen lassen. Ihr Buch gewährt
Einblick in eine für Hörende fremde und befremdliche visuelle Welt,
und es gibt wertvolle Schützenhilfe, wenn es wieder einmal um die
leidige Frage geht, ob Gehörlose denn wohl eine eigene Kultur
hätten.
Mehr Infos und zum Appetitanregen das erste Kapitel finden Sie
auf www.visuelle-welten.net.
Erhältlich ist das Buch im Paulo Freire Verlag, Oldenburg, ISBN
978-3-86585-804-7