30.03.2016 23:30 Uhr (Dauer 60 min)
SWR HD
Das Dorf der Stille
Dokumentation, Deutschland 2015
Autor: Bernd Umbreit, Heidi Umbreit
Maria weiß nicht, dass sie Maria heißt. Sie kennt nicht ihren
eigenen Namen, sie weiß nicht, dass der Himmel blau ist und ihre
Betreuerin Kathi blonde Haare hat. Aber sie erkennt sie. An den
Ohren und an der Nase. Und die muss sie befühlen, immer und immer
wieder. Olli weiß nicht, was Fußballweltmeisterschaft bedeutet oder
Fukushima, aber er kann an kleinen Holztäfelchen - seinem
Wochenplan - fühlen, wann er Massage hat oder mit dem Hund
spazieren gehen darf. Und er hat sehr eindeutige Gesten für seinen
Wunsch nach Kaffee und Kuchen. Den hat er oft und deshalb deckt er
gerne nachmittags den Tisch für seine Wohngruppe. Theo weiß nicht,
was es bedeutet, Krebs zu haben. Aber er übersteht seine Operation,
weil sein Betreuer Peter bei ihm ist und seine Hand hält. Und weil
er die Decke, unter der er sich geborgen fühlt, mit ins Krankenhaus
mitnehmen darf. Fischbeck, das ist ein Dorf für Taubblinde in der
Nähe von Hannover. Dort haben Heidi und Bernd Umbreit über ein Jahr
Menschen beobachtet, die mit drei Sinnen die Welt erleben und
begreifen. Tastend, riechend, schmeckend. Und sie zeigen, dass
diese Welt weder dunkel noch stumm ist. Sie zeigen Maria, Olli,
Theo und die anderen in ihrer Freude: wie sie mit ihren Betreuern
kuscheln und kommunizieren, wie sie sich der der Sonne entgegen
räkeln und an den Handläufen durchs Dorf bewegen, wie sie lernen,
kleine Arbeiten selbstständig auszuführen. Entstanden ist ein Film,
der Einblicke gibt in eine Welt, von der die meisten Menschen gar
nicht wissen, dass es sie überhaupt gibt. Es sind die Betreuer, die
diesen Film tragen, die ihren Schützlingen eine Stimme verleihen.
Menschen, sehr besondere, die auch nach langjähriger Arbeit in
Fischbeck nicht wirklich wissen, was in einem taubblinden Menschen
vor sich geht, aber die erleben, wie Förderung und Zuwendung ein
Leben lebenswert machen. Der Zuschauer wird mitgenommen in diese
Welt, die ihn vielleicht nachdenklich, aber nicht bedrückt
entlässt. 'Maria, Theo, Olli, Emsi, Hendrik, Sabrina und all die
anderen taubblinden Bewohner werden diesen Film nie sehen. Aber wir
wollen, dass sie gesehen werden.' (Heidi und Bernd Umbreit)