Alles nur belangloses Geschwätz? Zumindestens dann, wenn es nach Papst Benedikt geht.
Berichte über Kinder und Jugendliche, die von katholischen Priestern missbraucht wurden, gibt es leider immer wieder. Neu ist aber, dass davon auch viele Gehörlose betroffen sind. Angefangen hat alles mit einem Bericht in der New York Times, der die Gehörlosengemeinschaft zutiefst schockte: rund 200 gehörlose Schüler wurden an der Gehörlosenschule in Wisconsin von Priester Lawrence C. Murphy sexuell missbraucht.
Weitere Enthüllungen führten dann zu Tage, dass einige betroffene Gehörlose jahrzehntelang versucht hatten, die katholische Kirche dazu zu bewegen, etwas zu unternehmen - vergeblich. Insbesondere soll auch ein Brief direkt an Kardinal Ratzinger im Jahre 1996 ignoriert worden sein. Priester Murphy starb im Jahre 1998, ohne jemals des Amtes enthoben worde zu sein, und ohne dass jemals Disziplinarmaßnahmen gegen ihn ergriffen wurden. Ein Erzbischof sagte sogar runderhaus, dass Murphy ein zu wertvoller Mitarbeiter der Schule sei, als dass man ihn entlassen könne.
Inzwischen sind auch Berichte über missbrauchte Gehörlose in Verona in Italien aufgetaucht. Man sieht also, dass eine vollständige Aufklärung der abscheulichen Verbrechen dringend not tut. Insbesondere mehren sich auch die Anzeichen dafür, dass Ratzinger, heute Papst Benedikt, damals maßgeblich daran beteiligt war, dass alles verschleiert und vertuscht wurde.
Mit Spannung wurde deshalb eine Stellungnahme des Papstes erwartet. Diese fiel allerdings reichlich bescheiden aus: in einer ersten Stellungnahme das Vatikans wurde alles als eine Verschwörung gegen die katholische Kirche gewertet. Gestern, am Palmsonntag, legte der Papst dann nochmal nach: das sei alles nur belangloses Geschwätz.
Es ist eine Schande, dass es, wie schon so oft in der Vergangenheit, gehörlosen Opfern so schwer gemacht wurde, ihre Anliegen zu kommunizieren. Bezeichnend dafür ist auch die Aussage einer Kollegin an der Gallaudet-Universität, die inoffiziell herumgefragt hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass Murphy bevorzugt Gehörlose mit hörenden Eltern missbraucht hatte, da sie wegen der Kommunikationsbarrieren mit ihren Eltern weniger wahrscheinlich etwas verraten konnten. Und es ist eine doppelte Schande, dass die Opfer über Jahrzehnte hinweg leiden mussten, obwohl sie alles versuchten, dass etwas gegen die Täter unternommen wurde.
Warum wird unter dem Deckmantel der katholischen Kirche sexueller Missbrauch toleriert? Warum werden nachweislich belegbare Aussagen als dummes Geschwätz abgetan? Und warum wird sexueller Missbrauch als kircheninterne Angelegenheit abgetan, statt als Straftat vor Gericht? Dazu gehört übrigens auch der Strafbestand der Verschleierung eines Verbrechens.
Einen Vorteil haben Gehörlosengemeinschaften heute: im Zeitalter der Anerkennung der Gebärdensprache und der digitalen Medien sind wir nicht mehr länger stumm. Wir können gegen das Vegessen und Verschleiern kämpfen. Wird es nicht mal Zeit, dass die Verbände sich in der Hinsicht organisieren?
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Weiterführende Links:
- Vatican Declined to Defrock U.S. Priest Who Abused Boys
- Vatican decries 'ignoble' smear of Pope Benedict XVI
- Auch in den USA untätig geblieben
- Missbrauchsopfer treten im italienischen Fernsehen auf (AP via Yahoo! Nachrichten)
- For Years, Deaf Boys Tried to Tell of Priest’s Abuse
- Missbrauch in der Kirche: Papst wehrt sich gegen "belangloses Geschwätz" (Spiegel)
Bildquelle: Rvin88, Wikimedia Commons