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Insgesamt kann man feststellen, daß Hoerbehinderten-Info eine bisher einmalige Informationsquelle für Hörgeschädigte darstellt und darüber hinaus eine nicht unwesentliche Rolle spielt, wenn es darum geht, das Image von Hörgeschädigten bei Hörenden zu pflegen. Und es ist gut, daß diese Imagepflege von Hörgeschädigten selbst betrieben wird. Was früher ein kaum überwindliches Hindernis war, die örtliche Trennung der Hörgeschädigten, spielt im Zeitalter der HiTec überhaupt keine Rolle mehr. Die Mitarbeiter von Hoerbehinderten-Info leben in Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Luxemburg. Theoretisch könnten sie an beliebigen Orten der Welt sitzen. So etwas wie eine Redaktionskonferenz hat es bisher nur ein einziges Mal gegeben, nachdem man aber schon seit Monaten intensiv zusammengearbeitet hatte. Die Kooperation erfolgt über eMails und chats.

Da geht die Post ab

Warum sollte man für einen Brief noch Kosten für Papier, Umschlag und Porto von neuerdings mindestens 1,10 DM zahlen, wenn man denselben Inhalt auch für 0,12 DM ans andere Ende der Welt schicken kann. Er braucht auch nicht einen oder mehrere Tage für die Beförderung, sondern ist nach wenigen Minuten am Ziel. Die eMail wird am Bildschirm geschrieben und per Mausklick auf den Weg gebracht. Sie bietet zudem den Komfort, Kopien an beliebig viele andere Empfänger zu verschicken oder eingegangene Briefe weiterzuleiten. Außerdem lassen sich Textdokumente, Bilder, Töne usw. im Anhang gleich mitbefördern. Im Gegensatz zu einem Fax, daß durch Telefonklingeln angekündigt wird und dann deutlich sichtbar im Gerät liegt, muß die elektronische Post jedoch gezielt abgeholt werden - auch per Mausklick natürlich. Und Ausdrucksmittel wie die persönliche Handschrift fallen natürlich weg. Aber durch die Leichtigkeit dieser Form von Kommunikation findet zumeist eine enorme Steigerung des Schriftverkehrs statt. Was mich persönlich betrifft, so habe ich vor Einführung der eMail pro Jahr weniger Briefe geschrieben als jetzt pro Tag - eine Steigerung des Sprachumsatzes, von dem Lehrer und Eltern hörgeschädigter Kinder nur träumen können. Und wenn denn doch Emotionen wie Scherz und Ironie angemerkt werden sollen, dann werden Emoticons angefügt, die in ihrer Ausdruckskraft stark an die Kommunikation der Gehörlosen erinnern. Ich erinnere mich an durchaus ernstgemeinte methodische Ratschläge von Fachleuten, man müsse bei der Kommunikation mit Hörgeschädigten Zusätze wie "Ich frage Dich:" oder "Das ist ein Spaß!" anwenden, da sie prosodische Elemente der Sprache ja nicht erfassen können. Na bitte, dann sind Hörgeschädigte mit der eMail und ihren Emoticons doch bestens bedient! :-)

- Bernd Rehling - 1.1.98 -