Vorweg unser Credo: Wir vertreten das Recht auf Meinungs- und Entscheidungsfreiheit. Wir wenden uns GEGEN Intoleranz und Diskriminierung. Wenn Eltern eines hörgeschädigten Kindes vor der Frage stehen, ob sie ihrem Kind ein CI implantieren lassen sollen, ist das ganz allein ihre Entscheidung, und diese Entscheidung respektieren wir. Wir wehren uns allerdings gegen die Indoktrination von Seiten einseitig ausgerichteter Eltern und "Fachleute", die die bilinguale Erziehung verteufeln.
Wir vertreten die Auffassung, daß den unterschiedlichen Bedürfnissen und Begabungen hörgeschädigter Kinder Rechnung getragen werden muß. Eine alleinseligmachende Methode kennen wir nicht. Wir entscheiden uns für das "Sowohl als auch" und gegen eine ideologische Borniertheit, die abweichende Auffassungen verdammt.
Der Spiegel-Artikel ist leider gekennzeichnet von Unkenntnis und einseitiger Beeinflussung. Wer ihn nicht gläubig hinnehmen mag, kann hier unseren Kommentar dazu lesen:
 
Spiegelartikel
aus Heft 3/99 vom 18.1.99
unser Senf dazu:
Pädagogik
Grammatik der Gesten
Schon mal falsch! Es geht nicht um Gesten, sondern um DGS, die Deutsche Gebärdensprache.
Sollen hörgeschädigte Kinder zunächst nur sprechen lernen - oder zugleich auch in der Gebärdensprache für Taubstumme unterwiesen werden?
Der Schreiber dieses Artikels hat es bei seinen Recherchen offensichtlich nicht einmal geschafft, sich die Grundbegriffe der Hörgeschädigtenpädagogik anzueignen. So wird der Oberbegriff "hörgeschädigt" beliebig mit den Begriffen schwerhörig, gehörlos und taubstumm ausgetauscht. Der Autor ist nicht einmal so weit in die Materie vorgedrungen, daß ihm bewußt geworden wäre, daß Gehörlose den Begriff "taubstumm" als schwere Diskriminierung empfinden.
Selbstverständlich geht es nicht darum, alle hörgeschädigten Kinder in DGS zu unterweisen. Warum sollten man das bei schwerhörigen Kindern, die mit Hörgeräten die Lautsprache aufnehmen, auch tun? Allerdings gibt es hochgradig Schwerhörige, die LBG (lautsprachbegleitende Gebärden) sehr wohl zur Unterstützung der Lautsprache benötigen. Aber nicht einmal dieser Begriff taucht in dem Artikel auf.
Zwei Wege führen aus dem Gefängnis der Gehörlosigkeit: die stummen Worte der Gebärden und der mühselige Versuch, den Lippenbewegungen der Umwelt einen Sinn zu entlocken. Das Gefängnis der Gehörlosigkeit! Theatralischer geht es kaum! Das ist ja noch die Steigerung des sonst gern benutzten Begriffs "Ghetto". Daß Gehörlose sich nicht als Behinderte, sondern als Mitglieder einer sprachlichen Minderheit fühlen, ist dem Autor nicht zu Bewußtsein gekommen. Er hat sich also offensichtlich nicht "unter's gehörlose Volk" gemischt. Statt dessen gibt er unreflektiert die Sichtweise Hörender wider - für die das Nichthörenkönnen nur negativ besetzt ist, ein Gefängnis eben!
Seit etwa 15 Jahren eröffnete die Technik den Tauben einen dritten Weg: Innenohr-Hörhilfen, sogenannte Cochlea-Impantate, ermöglichen Ertaubten, wieder zu hören. Die elektronischen Hörhilfen wurden bisher wletweit rund 17000 Menschen eingepflanzt, darunter 600 Deutschen. Nun geht es plötzlich um Ertaubte. Bei ihnen gibt es nun überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten. JEDER gesteht ihnen zu, das verlorene Gehör so gut es geht zurückzuerwerben.
Um Spätertaubte geht es eben NICHT beim CI-Disput, und auch nicht in diesem Artikel - sondern um taub geborene Kinder!
Doch inzwischen gibt es heftige Kritik an dem chirurgischen Eingriff, die ebenso vehement zurückgewiesen wird. Aktueller Schauplatz des schon seit geraumer Zeit tobenden Glaubenskrieges zwischen Befürwortern der Methode und ihren Gegnern war in jüngster Zeit das hessische Parlament. Dort wurde das Cochlea Implantat (CI) stellvertretend für eine ganze Richtung der Schwerhörigen-Pädagogik angegriffen: die Hör-Sprech-Erziehung. Nun geht es um die Schwerhörigenpädagogik. Falsch! Es geht um GEHÖRLOSE !!!
Und gegen Hören und Sprechen hat NIEMAND etwas, das wollen alle. Es gibt halt nur Extremisten und Glaubensfanatiker, die meinen, Gebärden seien schädlich. Nicht Hören und Sprechen sollen ausgeschlossen werden, sondern Gebärden!
Ohne pädagogische Hilfe können Kinder, die gehörlos geboren werden, das Sprechen nicht lernen - sie werden taubstumm. In Deutschland beginnt deshalb das Sprachtraining meist noch vor dem Kindergartenalter nach der sogenannten Deutschen Methode. Mit Hörgeräten und unter Ausnutzung von vorhandenen Hörresten lernen die Kinder hören und durch Artikulationsübungen sprechen. Die "Deutsche Methode" ist ein Begriff aus der Mottenkiste. Er stammt aus der Periode des deutschtümelnden Nationalwahns. Darunter verstand man im vorigen Jahrhundert die orale Methode des Absehens vom Mund und der Artikulation - ohne Gebärden! Und sie mußten es damals OHNE Hörgeräte lernen.
In den Curricula der Schwerhörigen-Schulen ist diese ,,oral-aurale" Technik, die Hör-Sprech-Erziehung zum Erwerb der deutschen Laut- und Schriftsprache, festgeschrieben. Die Gebärdensprache, für viele ältere Gehörlose Alltagssprache, ist streng verpönt und aus dem Unterricht verbannt. Glücklicherweise gibt es einige Gehörosenschulen, an denen bewußt Gebärden (mehr LBG als DGS) eingesetzt werden. Daß nun die Gebärdensprache die aussterbende Sprache der alten Gehörlosen sei - die von den Jungen nicht mehr benutzt wird - ist schlicht und einfach FALSCH!
Von diesem Grundsatz hat sich der Hessische Landtag Ende letzten Jahres verabschiedet. Mitte Dezember beschlossen die Wiesbadener Parlamentarier, daß der Sprach- und Wissenserwerb hörgeschädigter Kinder in Zukunft ,,bilingual" ablaufen soll: ,,Schülerinnen und Schülern muß die Möglichkeit gegeben werden, neben der Vermittlung der Lautsprache auch Gebärdensprachkompetenz zu erwerben." So isses!
Das Ergebnis der bisherigen sprach- und hörpädagogischen Bemühungen, behaupten die hessischen Grünen, sei miserabel: ,,In den alten Bundesländern sind von 60 000 gehörlosen Menschen nur 300 in der Lage, zu sprechen und zu schreiben." Mit diesem Argument hatten die grünen Parlamentarier vor sechs Jahren die Diskussion losgetreten. Den Beweis für diese Behauptung sind sie schuldig geblieben. Den betroffenen Eltern zufolge lernen heute rund 90 Prozent aller hörgeschädigten Kinder hören, sprechen und lesen; die Hälfte von ihnen besucht normale Schulen, keine Schwerhörigen-Einrichtungen. Nun haben die Schulen seit fast 120 Jahren überwiegend oral unterrichtet, aber nur eine Minderheit der "oralen Produkte" wird von Hörenden verstanden. Ein einziger Besuch eines Gehörlosen-Freizeitheims hätte gereicht, um dem Autor die Problematik zu verdeutlichen. Und warum hat diese Methode, die doch so ganz und gar auf Integration ausgerichtet war, nicht mehr gehörlose Akademiker hervorgebracht? Für einen Beweis gibt es einiges an Fachliteratur. Und Statistiken. Aber bereits der Augenschein ist umwerfend. Warum müssen Sozialarbeiter Gehörlosen Formulare erläutern oder sie für sie ausfüllen? Wo sie doch oral gedrillt worden sind!

(zur Vergrößerung anklicken!)
Absurd: "Unterricht in der Gebärdensprache"! An der Tafel im Hintergrund erscheint die Schriftsprache, und zwar mit Bögen unter den Silben der Wörter, als Hilfestellung für die Artikulation!
Dennoch möchten Grüne und SPD, daß die Gebärdensprache offiziell Einzug in die hessischen Hörgeschädigten-Schulen hält. Grund für das Verlangen sind die technischen Grenzen der Hörhilfen. Im Stimmengewirr von Cocktailpartys oder im Geschrei von Parteiversammlungen lassen sich selbst mit hochempfindlichen Frequenzreglern keine einzelnen Stimmen mehr herausfiltern. Hier, so die Grünen, helfen nur noch Gestik und Gebärden. Extremer kann man seine Unkenntnis nicht unter Beweis stellen: Gebärdensprache wegen des Stimmengewirrs von Cocktailpartys. Daß es um Wissensvermittlung, den Ausdruck von Gefühlen und gerade um soziale Integration beim Einsatz von Gebärden geht, bleibt außen vor. Nur eine kleine Zusatzfrage: Wie, bitte schön, könnten gehörlose Studenten einer Vorlesung folgen - ohne den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern?
In ihrem gemeinsamen Beschluß fordern die Politiker der beiden Fraktionen, ,,das Erlernen der Deutschen Gebärdensprache neben der Lautsprache gleichwertig im Unterricht zu integrieren" - ein Ansinnen, das einen Expertenstreit vom Zaun brach. Da hat das Bundesland Hessen die Vorreiterrolle übernommen, und die "Experten" streiten. Ob wohl dem Autor bekannt ist, daß die Vorreiterrolle nicht zuletzt auf den grünen Abgeordneten Andreas Kammerbauer zurückgeht? Kammerbauer ist selbst hochgradig schwerhörig. Experte also!
,,Das gleichzeitige Anbieten der Lautsprache und der Gebärde", warnte Jürgen Strutz, ärztlicher Direktor der Regensburger HNO-Uniklinik, ,,ist nicht möglich. Das Kind entscheidet sich in aller Regel fur den zunächst einfacheren Weg der Gebärde." Werde aber die Lautsprache nicht erworben, bleibe das Ziel der Integration Gehörloser in die Gesellschaft verfehlt. Ausgerechnet ein Mediziner soll hier Experte sein? Wie wäre es, wenn Pädagogen einmal zum Skalpell griffen? 
Übrigens: Lautsprachbegleitende Gebärden werden gerade deshalb eingesetzt, weil sie gleichzeitig mit der Lautsprache eingesetzt werden können. Warum mischen sich die "Götter in Weiß" in Dinge ein, von denen sie keine Ahnung haben?
,,Durch das Cochlea-Implantat", so Strutz weiter, ,,wird der akustische Kanal geöffnet. Danach sind die Kinder nicht mehr taub oder schwerhörig, sondern andershörig." Patienten mit frischen Implantaten, die sprechen gelernt hatten, bevor sie taub wurden, berichteten dem Regensburger Arzt, daß das neue Hörvermögen - verglichen mit früheren Höreindrücken - zu einer Micky-Mouse-Intonation hin verschoben sei. Doch deswegen habe bislang niemand auf das elektronische Gehör verzichten wollen. Wieder ein Wechsel zu den Spätertaubten! Welche Höreindrücke mag ein taub geborenes CI-Kind haben? Dem muß die "Micky-Mouse-Intonation" doch als normales Hören erscheinen. Aber besser als nix, oder?
,,Die Versprechungen der Vertreter der Cochlea - Implantate , daß ein Hörschaden vollständig durch das CI kompensiert werden kann, sind bis heute nicht bewiesen", wetterte dagegen Daniela Happ, selbst gehörlos, in einem Positionspapier der Katholischen Gehörlosenseelsorge. ,,Wir verlangen einen angemessenen Spracherwerb, mittels Gebärdensprache, von Anfang an."  
Schützenhilfe erhält das Wiesbadener Gebärden-Begehren aus dem linguistischen Lager. Neuere Forschungen belegen, daß das Gestenspiel der Gehörlosen mehr ist als nur Andeutung und Hilfssprache. Gebärdensprachen zählen zu den naturlichen und damit vollwertigen Idiomen mit einer eigenen, komplexen Grammatik.  
Nach Ansicht von CI-Spezialist Strutz hätte der frühzeitige Unterricht in der Gebärdensprache dennoch fatale Folgen: ,,Ein Gehörloser, der nur die Gebärdensprache gelernt hat, ist nicht in der Lage, ein Buch oder eine Zeitung zu lesen." Denn nur die Welt der Klänge erlaubt es, die phonetische Schrift zu begreifen. TOTALER UNSINN! Erstens gibt es in Deutschland keinen einzigen Gehörlosen, der NUR die Gebärdensprache erlernt hätte. Und es gibt kein pädagogisches Konzept, daß das anstreben würde. Allerdings gibt es Gehörlose, die mit der Gebärdensprache aufgewachsen sind, da ihre Eltern auch gehörlos waren. Und ausgerechnet die sind überall auf der Welt die am besten gebildeten, auch und gerade was die Schrift- und Lautsprache betrifft. Diese statistisch belegten Tatsachen werden nicht erwähnt, statt dessen ein inkompetenter Arzt zitiert!
Die Diskussion in Deutschland um die richtige Förderung tauber Kinder dauert schon mehr als 100 Jahre. Auf einem internationalen Kongreß der Taubstummenlehrer, in Mailand 1880, hatte sich die deutsche Gehörlosen- Pädagogik von der Gebärdensprache als einzigem Verständigungsmittel distanziert. Schon damals wurde die Deutsche Methode verbindlich an den Gehörlosen-Schulen eingeführt - die Gebärdensprache wurde zwar benutzt, doch Vorrang hatte das Ziel, tauben Kindern durch Artikulationsübungen ein mögIichst verständliches Sprechen beizubringen. Auch hier ist eher das Gegenteil richtig:
Vor 1880 gab es einen Vielzahl von Methoden und Kombinationen, danach NUR noch den Oralismus - OHNE Gebärden:

Hände auf den Rücken!
Sprechübung mit Glöckchen? Oder vielleicht doch Hörtraining?
Bis dahin war die Unterrichtssprache die Hand-Sprache. Die Deutsche Gebärdensprache wurde - wie andere nationale Gebärdensprachen auch - im Laufe von Jahrhunderten von den Betroffenen selbst entwickelt. Doch die Verständigung durch Handzeichen blieb immer eine Art Geheimsprache. Bis heute wird die lautlose Kommunikation von der Mehrheit der Gesellschaft nicht verstanden. Handsprache, Gesten, Gestiksprache, Gestenspiel, Taubstummensprache?
DGS ist der Fachbegriff!
Selbst entwickelt? Eine tolle Weisheit! Wer sonst sollte eine lebende Sprache entwickeln? Wer hat die deutsche Sprache entwickelt?
Und daß die Mehrheit der Hörenden die Gebärdensprache nicht versteht - wer hätte das gedacht!?!
,,Keiner in unserem Ort", klagt eine Schülerin aus dem hessischen Münzenberg ,,und keiner aus der Verwandtschaft kann die Gebärdensprache. Meine Hände wüßten nach der Schule oder in den Ferien nicht, mit wem sie reden solIten." Unter großen Mühen und mit Hilfe eines Innenohr-Implantats hat sie deshalb in den vergangenen Jahren hören und sprechen gelernt. Warum wird hier mehrfach dieses CI-Kind, das zudem von den Erwachsenen indoktriniert worden ist, zitiert - und kein einziges bilingual erzogenes Kind?
Viele Eltern von Kindern mit Hörschäden zeigten in Wiesbaden denn auch kein rechtes Vertrauen in die Zweisprachen-Methode. Die ,,Arbeitsgemeinschaft Hörgerichtete Frühförderung" in Hamburg, eine Vereinigung von Eltern mit hörgeschädigten Kindern, glaubt nicht an die ,,Fiktion der Bilingualität". Sie hält das Kombi-Konzept für eine ,,Mogelpackung". Nach ihren Beobachtungen an einer Hamburger Gehörlosen-Schule, an der zur Zeit das erste bilinguale Pilotprojekt läuft, werden die Schüler dort programmwidrig vor alIem in der Gebärdensprache ausgebildet. Erstaunlich: Das Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet von EINER Hamburger Gehörlosenschule - als gäbe es dort mehrere! Ein Blick ins Telefonbuch, eine viertelstündige Autofahrt - zu viel verlangt von einem Journalisten? 
Und diese intolerante Sekte von "Hörgerichteten" kommt laufend zu Wort. Daß es in Hamburg aber auch das Institut für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser gibt, findet mit keinem Wort Erwähnung. Und auch wissenschaftliche Mitarbeiter des bilingualen Modellverscuhs kommen nicht zu Wort. Da muß man sich schon bewußt Scheuklappen angelegt haben! 
Auch die gehörlose Schulerin aus Münzenberg hält nichts vom gleichzeitigen Unterricht in der Gebärden- und Lautsprache: ,,Wenn man zuerst Gebärden lernt", schreibt sie in einem Brief an das hessische Parlament, ,,dann merkt sich das Gehirn etwas anderes. Wenn ich einen Satz spreche, kann ich dazu nicht gebärden. Die Lautsprache ist eine Sprache, die mich unabhängig macht." Untersuchungen in den USA haben das Gegenteil bewiesen. CI-Kindern schadet die Gebärdensprache nicht, im Gegenteil, sie ist auch bei ihnen sehr hilfreich.1,  2,  3,  4,  
Und mit LBG kann man hervorragend parallel zum Sprechen gebärden. Ein Besuch bei einer der zahlreichen Schwerhörigen-Selbsthilfegruppen hätte es dem Autor verdeutlicht.
Die französische Psycholinguistin Benedicte Boysson-Bardies glaubt, daß auch gehörgeschädigte Kinder ,,von vornherein aufs Sprechen programmiert" sind. Wenn ihnen jedoch nicht frühzeitig zu Höreindrücken verholfen werde, notiert die Sprachforscherin Patricia Kuhl von der University of Washington in Seattle, sei später ein Spracherwerb nicht mehr möglich. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die die Bedeutung der Kommunikation (also auch der gebärdensprachlichen) hervorheben. Freie Auswahl bei den Wissenschaftlern also!
Noch vor dem ersten Plappern müssen alle Babys erst einmal das Hören lernen. Nur nach und nach unterscheidet das Gehirn Klänge von Krach, Laute von Lärm, Reden von Radau. Der biologische Zeitrahmen für diese Entwicklung ist eng. Die sensible Phase für die Konditionierung des Hörsystems endet mit dem zweiten Lebensjahr. Unterbleibt in dieser Zeit akustische Stimulation, gehen die ungenutzten neuronalen Verbindungen zugrunde. Einmal abgestorben, regenerieren sie sich nicht mehr. s.o. - Theorien, die durch nichts bewiesen sind! Aber das Schöne bei Dingen wie "neuronalen Verbindungen" ist, daß man jeden "Laien" mundtot machen kann.
Bei fast allen taub geborenen oder durch Krankheit hörgeschädigten Kindern sind Hörreste vorhanden. Reicht das Rest-Gehör fur den Unterricht nicht aus, bleibt die Möglichkeit des operativen Eingriffs ins Innenohr. Richtig, und/oder der bilinguale Unterricht.
Dabei wird ein winziger Elektrostimulator unter die Kopfhaut implantiert. Er übermittelt Signale direkt in die Hörschnecke (Cochlea), von wo sie an den Hörnerv weitergeleitet werden (siehe Grafik). Sicherlich Geschmacks- oder Gewöhnungssache, aber haben Sie schon mal einen CI-Träger mit der Plastik-Sendesonde seitlich am Kopf auf dem Haar gesehen? - (Zugegebenermaßen einer der unwichtigsten Aspekte.)

Für das gehörlos geborene Mädchen aus Münzenberg hat sich seit der Implantation eine neue Welt eröffnet: ,,Ich kann viele Geräusche, die ich noch nie gehort habe, jetzt hören, zum Beispiel die Autos auf der Autobahn in weiter Entfernung, wenn Papa im Bad niest - und das Zwitschern der Vögel."
Wo bleibt die Darstellung von Gebärdenpoesie? Nur hören ist schön? Anderes können sich Hörende kaum vorstellen.
Noch allerdings wird sie einige Jahre intensives Schultraining brauchen, um auf ein gleichwertiges Hör-, Sprech- und Bildungsniveau wie normalhörende Kinder zu kommen. Alles das wollen wir dem Mädchen wünschen. Allerdings wäre sie dann ein bisher einmaliger Fall. Bisher gibt es zumindest kein einziges CI-Kind, das ein gleichwertiges Hörniveau (?) hat wie Normalhörende. Und die Fehlschläge werden ohnehin nicht dargestellt.
Der Beschluß des Hessischen Landtags stößt bei der Schülerin auf entschiedene Ablehnung. Zwar soll der Unterricht in der Gestiksprache zunächst als Wahlpflichtfach und erst in der fünften Klasse beginnen. Doch das halten viele Eltern fur eine Finte; denn zugleich müssen sich alle Hörgeschädigten- Pädagogen nun in der Gebärdensprache ausbilden lassen - eine Vorschrift, argwohnen Kritiker, die wohl nur dazu diene, das bisherige Schulkonzept aufzuweichen. Bei gehörlosen Kindern sollte die bilinguale Erziehung bereits in der Vorschule beginnen, unter Hinzuziehung von Hörenden UND gehörlosen ErziehrerInnen und LehrerInnen! Insofern ist der Beschluß Hessens schon ein halbherziger Kompromiß. Und selbst dagegen laufen die extremistischen "Monolinguisten" Sturm!
Schon bei einer Anhörung im Hessen-Parlament hatte die Mutter eines hörgeschadigten Kindes dagegen Protest eingelegt: ,,Man sollte", verlangte sie, ,,lieber strengeres Augenmerk auf Artikulations- und Hörtraining legen." Spätestens die Auswahl für das Schlußwort zeigt die eindeutige Tendenz dieses Artikels. Hartmann & Co lassen grüßen.

Selten hat man die Gelegenheit, die Richtigkeit eines Artikels in der Presse zu beurteilen. Was nun, wenn alle anderen Artikel im Spiegel genauso unsachlich und voreingenommen zusammengeschustert sind? Da fällt man selbst als treuer Abonnent nach 30 Jahren vom Glauben ab!

Wenn Sie Ihre Meinung zu diesem Thema äußern wollen, schreiben Sie mir:
Bernd.Rehling@nordkom.netsurf.de

Literaturnachweise

1 "Numerous studies have demonstrated that the acquisition and use of sign language in no way impedes, and may enhance, the development of other language skills, including speech production, lipreading, reading, and writing."

Conclusions: Current Considerations and Future Directions. In Cochlear Implants in Young Deaf Children, ed. E. Owens and D. K. Kessler, page 319. College-Hill Press, Boston, 1989.

2 "[...] there is an advantage to knowing any language over knowing no language during the preschool years for the fostering of future spoken language and academic skills."

Susan Curtiss. In Cochlear Implants in Young Deaf Children, ed. E. Owens and D. K. Kessler, page 295. College-Hill Press, Boston, 1989.

3 Siehe auch "Differences Between Adult and Child Rehabilitation Approaches: Auditory/Oral versus Signing/Speaking." In Cochlear Implant Rehabilitation in Children and Adults, ed. Dianne J. Allum. Singular, San Diego, 1996.

4Die Erkenntnis, daß das Erlernen von Gebärdensprache nicht notwendigerweise den Lautspracherwerb mit einem CI behindern muß, hat einen Professor an der University of Pennsylvania dazu bewogen, seinen eigenen Sohn auch mit ASL in Kontakt zu bringen. Er wurde im Alter von 2 Jahren implantiert und ist jetzt mittlerweile 3 Jahre alt. Inzwischen sind auch weitere Fälle von Eltern mit implantierten Kleinkindern bekannt, die sich für den Sowohl-Als-Auch-Weg entschieden haben.

Christian Vogler, aus persönlicher Kommunikation, November 1998