Hörende und Hörbehinderte lernen zusammen



Frank und Jochen haben mit 21 anderen Lehrlingen eine Filterfaltmaschine restauriert. Das Besondere daran: Der eine macht seine Mechaniker-Ausbildung bei Mahle, der andere im Berufsbildungswerk Waiblingen der Paulinenpflege Winnenden. Frank hört, Jochen ist hörbehindert.

Durch das Projekt Soziales Lernen des Diakonischen Werks Württemberg (DWW) und des Evangelischen Landesjugendpfarramts sind die beiden in Kontakt gekommen. Je eine Gruppe Auszubildende von Mahle und von der Paulinenpflege hat im Wechsel eine Woche in der Lehrwerkstatt der anderen gearbeitet, Berufsschultag eingeschlossen. Im Berufsbildungswerk Paulinenpflege werden 280 gehörlose oder hörbehinderte Jugendliche in einer von 27 Berufsgruppen ausgebildet. Gemeinsame Aufgabe für die Mechaniker-Azubis im dritten Lehrjahr war die Restaurierung einer 25 Jahre alten Filterfaltmaschine, die Luftfilter für Pkw und Lkw herstellt. Diese ¸¸komplizierteste Maschine, die bei uns eingesetzt wird', wie Mahle-Geschäftsführer Josef Vogel betont, wurde demontiert, gereinigt, in Teilen neu gefertigt. Die Mahle-Lehrlinge waren überrascht: ¸¸Die Gehörlosen leisten genauso wertvolle Arbeit wie die anderen, ohne Unterschied', befindet Nikolai Kindlieb.

Damit hat sich die Erfahrung bisheriger Projekte bestätigt, wie Wolfgang Keppler vom DWW berichtet: ¸¸Die gemeinsame Arbeit gibt Sicherheit im Umgang mit dem anderen', die Projekte seien ein gutes Training für die soziale Kompetenz in der Berufsausbildung. Seit 1996 haben mehr als 400 Schüler und Auszubildende an 30 verschiedenen Begegnungen mit behinderten, alten oder obdachlosen Menschen teilgenommen.

Die Unsicherheit und Befürchtung, einander nicht zu verstehen, war bei Hörenden wie Hörbehinderten vorhanden. ¸¸Am Anfang habe ich mich ein bißchen geschämt', erinnert sich ein Jugendlicher aus Waiblingen. Aber über der Werkbank haben gemeinsame Interessen und das Lachen über dieselben Witze schließlich zum Wunsch nach weiterem Kontakt geführt, am Ende wurden Adressen ausgetauscht. Im direkten Umgang miteinander sind die Unterschiede auf einmal kaum mehr spürbar - und doch gibt es sie. Einer der Jugendlichen der Paulinenpflege hat als Erfahrung aus dem Projekt aufgeschrieben: ¸¸Die Hörenden verdienen viel Geld und können sich ein Auto kaufen.'

VON SIMONE HöCKELE


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