Von VERENA MÜLLER
Zürich - Bill Clinton ist es, Rudi Carell auch und selbst Denver-Schönheit
Joan Collins. Und wer weiß, wieviele
Prominente außerdem noch schwerhörig sind, ihr "Problem" aber
verheimlich.
Obwohl Hörschwäche eine der häufigsten Krankheiten der Welt ist, wird sie von den meisten Menschen immer noch schamhaft verdrängt. Dabei schätzen Experten, daß jeder dritte Erwachsene und jeder vierte Jugendliche schlecht hört. Insgesamt leiden in Deutschland rund 14 Millionen an Schwerhörigkeit, doch ein Hörgerät trägt nur etwa jeder Fünfte. Zu "häßlich" und qualitativ enttäuschend" finden viele die Geräte hinter oder im Ohr. Ein technisches Problem ist die Trennung einzelner Stimmen von Hintergrundgeräuschen. Die Schweizer Firma "Phonak" hat nun ein System entwickelt, das genau hier ansetzt. "Micro Link" ist als Zusatz zu einem herkömmlichen Hörgerät gedacht, mit dem Schwerhörige erstmals auch bei extremen Lärm und über Distanzen von bis zu 20 Metern ihre Mitmenschen so verstehen können, als würden sie ihnen ins Ohr flüstern.
Möglich machen das ein drahtloses Mikrophon (Handy Mic TX 3), das überall plaziert werden kann und ein neuartiger Mini-Funk-Empfänger (der kleinste der Welt), der an das normale Hörgerät gesteckt wird. Per Funk wird dann der Ton vom Mikro, das etwa vor einem Redner auf dem Konferenztisch steht, drahtlos durch den gesamten Raum oder sogar durch Wände hindurch zu dem Empfänger am Hörgerät übermittelt. Der Schwerhörige, der mit seinem Hörgerät sonst nur noch ein Rauschen wahrnehmen würde, bekommt das Gefühl, er stehe direkt nebenan.
Der Benutzer kann zwischen drei Stufen wählen: Einer Weitwinkel-Aufnahme (etwa beim Konzert) und zwei Zoom-Funktionen, die eine Sprechquelle auch bei Partylärm heranholen können. "Micro Link verbessert das Sprachverstehen bei einem großen Lärmpegel erheblich", urteilt der Professor für Audiologie Jürgen Kießling von der Universität Gießen. Das Mikrofon kann auch ohne Funkbrücke direkt mit einem Kabel an Fernseher, Radios und Telefone angeschlossen werden.
© DIE WELT, 20.6.1998