Vom Bett ins Internet


Für acht Wochen wird der sechsjährige Max mehr oder weniger ans Bett gefesselt sein: Er hat beide Beine in Gips. Miriam läuft zwar im Moment noch durch die Station, aber ihr steht eine schwierige Herzoperation bevor, die sie für ein paar Wochen zur Bettruhe zwingen wird. Elisabeth liegt in ihrem Bett; ihre Operation liegt schon einige Zeit zurück, und jetzt ist sie zum Fäden- und Drähteziehen noch einmal für ein paar Tage auf der G9. Michael düst auf einem Dreirad durch die Gänge, aber der Rucksack in Form eines Stoffelefanten, den er die ganze Zeit mit sich herumträgt, macht deutlich, daß auch er schwere Stunden hinter sich hat: im Rucksack ist ein Langzeit-EKG versteckt - auch Michael ist am Herzen operiert worden.
Die vier sind Patienten auf der Kinderstation G9 im Klinikum Großhadern, München. Und sie gehören zu denen, die seit Oktober eine neue Möglichkeit der Beschäftigung und des Lernens auf der Station nutzen können: Computer im Krankenhaus. Unter dem Titel „Online-Maus im Kinderkrankenhaus" hat Microsoft ein sechsmonatiges Pilotprojekt gestartet, das den kleinen Patienten zum einen hilft, sich sinnvoll zu beschäftigen, zum anderen den Kindern die Möglichkeit bietet vom Krankenbett aus über Internet und Emails mit Freunden, Eltern und teilweise sogar mit ihren Schulen zu kommunizieren und sie damit auch ein Stück aus ihrer Isolation zu befreien.
Konkret bedeutet das: Microsoft und Vobis haben die Station mit vier PC’s ausgestattet. Die Rechner sind auf Rollwagen montiert und lassen sich somit direkt an die Betten fahren; der vierte steht im Aufenthalts- und spielzimmer und hat einen Internet-Anschluß. Die Computer sind Spielgerät, Lese- und Lernmaschine, Internetstation und elektronischer Postkasten in einem. Der Internet-Rechner ist mit einer speziellen Kinderschutzsoftware ausgerüstet.
Das Pilotprojekt läuft seit Mitte Oktober und schon jetzt steht fest: die Atmosphäre auf der Station hat sich verändert: an Maxs momentaner Unbeweglichkeit konnten die PC’s natürlich nichts ändern, aber er fühlt sich dennoch beweglicher: Mit Encarta Weltatlas bereist er die ganze Welt und mit dem junior Schreibstudio hat er schon viele Briefe an Eltern und Freunde entworfen und ausgedruckt.
Elisabeth darf zwar nicht aufstehen, entwickelt sich auf zur großen „Unterwasserforscherin" - mit dem Zauberschulbus ist sie auf dem Meeresgrund unterwegs, beobachtet Unterwasserriffs und versunkene Schätze. Auch die anderen kleinen Patienten sind von den neuen Möglichkeiten zu spielen und zu lernen begeistert: sie sind abgelenkt, erkunden Neues, fühlen sich eingebunden. Deshalb hat auch der extra für das Projekt eingestellte Zivi Benjamin alle Hände voll zu tun, den Kindern alle Fragen zu beantworten, mit ihnen Geschehnisse auf dem Bildschirm zu erkunden und einfach zu bewundern, was die kleinen Patienten schon alles mit den neuen Programmen gemacht haben.
Aber auch für die Eltern bedeutet die „Online-Maus" eine nicht zu unterschätzende Entlastung. Besonders die Kinder, die sich nach teilweise schweren Operationen gut erholt haben uns sich wieder fit fühlen, wollen beschäftigt werden.


(aus WN 289 vom 12.12.1997)

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