Ich kann hören, na und?


Also, um es gleich vorweg zu schreiben, ich bin hörend. Wie ich dazu komme, bei der Hoerbehinderten-Info mitzumachen? Ganz einfach, es macht mir riesig viel Spaß und da in meinem Wohnort Lengerich aufgrund einer speziellen Krankenstation sehr viele Gehörlose und Hörbehinderte zu Gast sind, hat mich das Thema und die Kontaktaufnahme immer schon interessiert. Aber gerade da liegt die Schwierigkeit, beide, egal ob Gehörlos oder Hörend haben Angst aufeinander zuzugehen, wie oft ist es schon zu Mißverständnissen gekommen....

Berechtigte Frage: wie verständigst Du Dich mit Gehörlosen? Ja, das ist gar nicht so einfach. Als ich zum ersten Mal mit einer Gruppe Gehörlosen und Hörbehinderten zusammentraf, fiel mir auf, daß ich zunächst mal deutlich sprechen muß und nicht zu schnell reden darf, gar nicht so zu schreien brauche. Aber als es dann plötzlich um mich herum ganz still wurde und alle, meiner Meinung nach, nur noch wild gestikulierten, da war ich plötzlich diejenige, die kein Wort mehr verstand. Und ich kam mir dabei ausgesprochen blöd vor. Wie fühlen sich da wohl Gehörlose, wenn sie mit Hörenden zusammentreffen und versuchen, das gesprochene Wort von den Lippen abzulesen? Also erschien es für mich persönlich an der Zeit zu sein, etwas dagegen zu tun.

An der hiesigen Volkshochschule wurde ein Schnupperkurs Gebärdensprache angeboten, bei dem meldete ich mich an. Ich war ja zunächst skeptisch, ob sich wohl genug Personen melden und der Kurs überhaupt zustande kommen würde. Tja und da saßen dann an einem Donnerstag 15 Leute zusammen, die sich aus den verschiedensten Gründen für die Gebärdensprache interessierten. Schüler, Studenten, Krankenschwestern, Eltern von ertaubenden Kindern und einfach so Leute wie ich. Alle hatten und haben heute noch den Wunsch, sich endlich mit Gehörlosen unterhalten zu können und das gesprochene Wort als Barriere zu überbrücken. Inzwischen ist aus dem Schnupperkurs ein richtiger Sprachkurs geworden und unsere Lehrerin nimmt uns ziemlich hart heran. Während der 2 Unterrichtsstunden wird selten gesprochen, sie legt Wert darauf, daß wir möglichst viel gebärden. Leider fehlt die tägliche Sprachpraxis, denn wenn uns dann tatsächlich mal ein Wort nicht einfällt oder verstanden wird, dann flüstern wir eben. Schlecht, ich weiß!!!

Inzwischen habe ich doch schon so einiges gelernt. Ich kann das Fingeralphabet (mehr recht als schlecht) und auch meinen Namen buchstabieren, kann Sätze und viele Wörter gebärden. Ja, aber, die Schwellenangst, auf Gehörlose einfach zuzugehen und sie anzusprechen, die ist immer noch da. WARUM? Ich bin einfach noch nicht sicher genug, nicht so schnell und fingerfertig (ich breche mir manchmal fast die Finger, wenn ich Wörter buchstabiere) und habe daher die Befürchtung, mich lächerlich zu machen.

Am Tag der Gehörlosen im September war ich in Bielefeld im Gehörlosenzentrum. Und siehe da, es ging ganz prima, noch etwas mühsam, aber es geht. Ich kann mich verständigen und finde es wunderbar, die Gebärden der anderen auch langsam aber sicher zu verstehen. Allerdings, den wilden Diskussionen kann ich noch nicht folgen.

Also, wenn Ihr mich in natura trefft, dann sprecht mich einfach an. Aber bitte langsam und habt Geduld, ich muß noch zu lange überlegen, ob ich auch alles verstanden habe.


Marie-Anne Schlüter (Mara)'
Stand: 17.10.1997

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