Gesundheit: Bedeutung der Schwerhörigkeit für den Betroffenen
Für den Nichtbetroffenen bedeutet Schwerhörigkeit zunächst nur Verlust an Lautheit. Die vielfältigen Auswirkungen des Hörschadens, kann er sich nicht vorstellen und auch dem Hörgeschädigten sind sie oft nicht bewußt.
Das gestörte Sprachverständnis als Folge einer Hörschädigung unterschiedlichen Ausmaßes wirkt sich je nach dem Zeitpunkt des Auftretens der Schädigung nicht nur auf die Sprachentwicklung, sondern auf die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit aus.
Sprachentwicklungsstörungen
Eine Sprachentwicklungsstörung tritt bei angeborenen oder schon sehr frühzeitig erworbenen Hörschädigungen auf und ist abhängig vom Grad des Hörschadens.
Hochgradig hörgeschädigte und gehörlose Kinder sind besonders betroffen. Bei ihnen wird der einheitliche Prozeß vom Hören-Denken-Sprechen und dem Erwerb des Wortschatzes gestört. Nur eine frühzeitige Erfassung und Betreuung dieser Kinder kann die schlimmsten Folgen abwenden.
Auch für den erwachsenen Hörgeschädigten ergeben sich aus den nicht, falsch oder schlecht verstandenen Informationen Schwierigkeiten in der Kommunikation. Gefühlswerte, die in der Sprache mitschwingen als Ausdruck von Freude und Trauer gehen verloren. Aus der Klangähnlichkeit vieler Wörter (Bahn, Hahn, Zahn) entstehen Mißverständnisse. Ein lautes Sprechen, gar Schreien, verstärkt die Probleme ebenso wie störende Nebengeräusche. So summieren sich im Alltag meist mehrere Faktoren, die es dem Schwerhörigen oft unmöglich machen, dem Inhalt eines Gespräches zu folgen. Hohe Konzentration wird ihm abverlangt, und doch wird er zeitweilig nachfragen müssen. Die Mitmenschen reagieren dann meist mit Ungeduld und Unverständnis.
Teufelskreis
Dadurch wird ein Teufelskreis ausgelöst: Der Hörgeschädigte wird verunsichert, versteht dann noch schlechter, muß nochmals nachfragen usw..
Kann die eigene Stimme bei hochgradiger Schwerhörigkeit akustisch nicht mehr kontrolliert werden, so ergeben sich auch Auswirkungen auf die Lautbildung, den Sprechrhythmus und die Lautstärke der Aussprache
Psychische Auswirkungen
Nicht zwangsläufig, aber doch sehr häufig, entwickeln sich mit der zunehmenden Schwerhörigkeit auch psychische Auffälligkeiten. Diese werden von dem Betroffenen selbst weniger, von der Umwelt um so mehr beobachtet. Das veränderte Verhalten des Hörgeschädigten wird von den Mitmenschen mißverstanden und fehlgedeutet. Ihnen fehlen die Kenntnisse um die Zusammenhänge. Deshalb könne sie in der Regel auch keine Hilfe geben, die dringend notwendig wäre. Durch das Unverständnis der Umwelt verstärkt sich die Not des Schwerhörigen. Wenn er seinen Hörschaden bemerkt hat, versucht er zuerst, diesen der Umwelt gegenüber zu verheimlichen. Je weniger er dies kann, je größer seine Probleme werden, desto aggressiver reagiert er. Er meint, die anderen sprechen zu leise, zu undeutlich, nur sie seien schuld. Auseinandersetzungen in der Familie, Kollegenkreis sind die Folge.
Resignation
Bringt das Aufbäumen keinen Erfolg, kann schnell die Resignation folgen. Rückzug aus dem Kreis der Kollegen und Bekannten bedeutet Verlust an sozialen Kontakten. Einsamkeit, Mißtrauen gegen die Umwelt, Hader mit dem eigenen Schicksal sind Ausdruck der stark veränderten Persönlichkeit des Betroffenen. Hinzu kommt, daß chronisch ungelöste Konflikte auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit haben.
Die Gefahr einer solchen möglichen Entwicklung muß frühzeitig erkannt werden. Je eher dies geschieht, desto erfolgreicher kann man den verhängnisvollen Weg verlassen. Neben dem Wissen um die Gefahr ist der Mut erforderlich, sich zu seinem Hörschaden zu bekennen, und der Wille, das Schicksal auch unter den veränderten Verhältnissen zu meistern.
Abhilfe
Dazu gehört:
![]() |
das regelmäßige Tragen der Hörhilfe |
![]() |
das Nutzen technischer Hörhilfsmittel |
![]() |
das bewußte Aufrechterhalten und Suchen von zwischenmenschlichen Kontakten |
![]() |
die Erkenntnis, daß es noch schlimmere Schicksale gibt |
![]() |
das Annehmen von Hilfe, jedoch keine Forderung |
![]() |
das Finden neuer Schönheiten und Werte im Leben |
![]() |
das aktive Gestalten des eigenen Lebens |
Eine optimistische Lebenseinstellung, Kontaktfreudigkeit, Reaktions- und Kombinationsfähigkeit sind gute Voraussetzungen, um Familie und Beruf auch mit einer Schwerhörigkeit zu bestehen. Die Fähigkeiten und psychische Einstellungen lassen sich trainieren. Zusätzliche körperliche, geistige oder psychische Leiden sowie gestörte zwischenmenschliche Beziehungen führen leicht zu Resignation in das Schicksal und zur Isolation, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der Weg muß weg vom Selbstmitleid und hin zum eigenen aktiven Gestalten führen. Dabei sollte man ärztliche, psychologische und sonderpädagogische Hilfe ebenso in Anspruch nehmen wie die Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und Vereine.
Ertaubung
Ein besonderes Schicksal erleiden diejenigen, bei denen es im Laufe des Lebens zu einer beiderseitigen Ertaubung kommt. Diese Spätertaubung (im Gegensatz zur angeborenen Gehörlosigkeit) kann verschiedene Ursachen haben: ein angeborenes Leiden, welches sich erst im Laufe des Lebens voll entwickelt, einen erlittenen Schädelunfall, eine durchgemachte Infektionskrankheit u.a. Die mehr oder weniger plötzlich auftretende Taubheit stellt den Betroffenen vor eine enorm schwierige Aufgabe: Sein Leben erfährt eine plötzliche Wende mit Auswirkungen auf Familie, Beruf und das gesamte Umfeld. Neben einer situationsgerechten Hilfe durch Mitmenschen und der Nutzung eventuell noch vorhandener apparativer Rehabilitationsmöglichkeiten mit einem Hörgerät oder einer Innenohrprothese ist die Betreuung durch einen speziell ausgebildeten Pädagogen von entscheidender Bedeutung.
geschrieben von LSE-NW