Der große Schock: "Mein Kind ist taub"
Wer von uns hat nicht schon mal von "taubstummen" gehört? Früher wurden hörgeschädigte Menschen so bezeichnet, weil sie weder hören noch sprechen konnten.
Heute weiß man: Die allermeisten Hörgeschädigten können gut sprechen lernen, wenn ihnen rechtzeitig geholfen wird. Nur weniger als zwei Prozent aller hörgeschädigten Kinder kommen vollkommen gehörlos zur Welt. Bei allen anderen können die Reste des Gehörs, die sie noch besitzen, genutzt werden.
Wird ein Hörschaden bei einem Kind nicht rechtzeitig entdeckt und behandelt, so verzögert sich die Sprachentwicklung bei mittelgradiger Schwerhörigkeit deutlich; ein hochgrad schwerhöriges Kind lernt gar nicht sprechen. Das ist verständlich, denn das hörgeschädigte Kind muß einen sehr viel mühevolleren Lernprozeß durchmachen. Ein gut hörendes Kind muß nur üben, mit der eigenen Stimme nachzumachen, was es hört. Das schwerhörige Kind aber hört nur Fragmente der gesprochenen Worte. Es muß also lernen, ganze Worte auszusprechen, damit es von Normalhörenden verstanden wird.
"Eine Hörgeräteversorgung hörgeschädigter Kinder ist absolut notwendig", betont die Frankfurter HNO-Ärztin Dr. Barabara Scior. In der Regel werden sogenannte "Hinter-dem-Ohr-Geräte" angepaßt, die es schon für hanz kleine Kinder gibt. Mit Hilfe der beidohrigen Versorgung gelingt es oft, vorhandene Hörreste des Kindes so zu verstärken, daß akustische Signale zum Gehirn gelangen können. Bei leichter bis mittelgradiger Schwerhörigkeit ist dann meistens auch der Besuch einer Regelschule möglich. Kinder mit hochgradiger Schwerhörigkeit (oder sog. Resthörigkeit) besuchen in den meisten Fällen Kindergärten und Schulen für Gehörlose. In diesen Einrichtungen wird zur Unterstützung des Sprechenlernens u.a. auch das Ablesen der Sprache vom Mund des Gebärdenpartners geübt. Spiegel und andere Hilfen werden angewendet, um den Kindern das Erlernen des Sprechens zu erleichtern.
Bei vielen gehörlosen oder im Kleinkindalter ertaubten Kindern liegt die Ursache der Gehörlosigkeit im Innenohr - in der sogenannten Schnecke (Cochlea). Ihen kann ein sogenanntes "Cochlea-Implantat" eingesetzt werden. Seit Beginn der 80er Jahre werden auch in deutschen Kliniken solche Operationen durchgeführt - Voraussetzung ist allerdings, daß der Hörnerv gut funktioniert. Bei tauben Kindern sollte man diese Operation in den ersten Lebensjahren durchführen, weil dann eine bessere Sprachentwicklung zu erwarten ist.
In Hannover haben Eltern von Kindern, die bereits ein Cochlea-Implantat erhalten haben, eine Selbsthilfegruppe gegründet. "Wir treffen uns regelmäßig", sagt Frau Gabriele Thierbach, die die Initiative ins Leben gerufen hat. "Etwa 15 Familien sind immer dabei, auch eine Erzieherin kommt mit dazu, die paßt dann auf die Kinder auf." In der Selbsthilfegruppe finden auch viele Eltern eine Hilfe, die noch vor der Entscheidung für oder gegen ein Cochlea-Implantat bei ihrem Kind stehen.
geschrieben von LSE-NW