(Computer-) Power to the Deaf - Teil 10
(wird veröffentlicht in hörgeschädigte kinder 4/99)

Spezielle Lernsoftware für hörgeschädigte Kinder

Gebilex

Der zweite Klassiker, Gebilex, kommt aus Österreich und scheint in Deutschland weniger bekannt zu sein. Verbände, Organisationen, Tagungen usw. von Hörgeschädigten beziehen sich über die deutschen Grenzen hinweg zumeist auf den „deutschsprachigen Raum“. Bedenkt man zudem, dass die Rechtschreibreform sich auf eben diesen „deutschsprachigen Raum“, also auch auf Österreich, bezieht, rechnet man nicht mit sprachlichen Problemen. Dass es lokale Besonderheiten gibt wie z.B. „Krapfen“, ordnet man eher in die Rubrik Dialekt ein. Natürlich gibt es auch österreichische Sitten und Gebräuche. Zum Nikolaus gehört nicht wie in Norddeutschland der Knecht Ruprecht, sondern der Krampus, eine teufelsähnliche Gestalt, auch mit einer Rute. Aber welcher Deutsche weiß schon, dass sich hinter einer Fisole eine Bohne verbirgt? Wer sich auf die Suche macht, wird eine Reihe solcher Austriazismen zutage fördern. Die Frage ist halt nur, ob das Programm trotzdem für deutsche Kinder anwendbar ist. Da Besonderheiten eher die Ausnahme sind, meine ich, die Frage bejahen zu können, zumal es immer sinnvoll ist, wenn ein helfender und erklärender Erwachsener dem Kind zur Seite steht.

Der Name „Gebilex“ hat nichts mit Gebärden zu tun, sondern setzt sich zusammen aus Geschichte, Bild und Lexikon.

Auch Gebilex zielt auf die Begiffsbildung und Sprachanbahnung ab. Wie beim Begriffetrainer spielen die Zuordnung von Bild und Wort eine zentrale Rolle. Gebilex will darüber hinaus aber auch Begriffe im Textzusammenhang vermitteln. Zu den einzelnen Begriffen gibt es jeweils Beispielsätze und kleine Texte. Wie beim Begriffetrainer gibt es die Möglichkeit, sich Wörter (oder auch ganze Texte) vorsprechen zu lassen. Gebärden sind allerdings nicht vorgesehen. Statt dessen gibt es die Taste mit dem roten Mund. Sie blendet Mundbildvideos ein.

Die methodische Ausrichtung ist damit klar vorgegeben. Neben der Begriffsbildung sind Hör- und Artikulationstraining beabsichtigt. Auch Stereotypen und weltanschauliche Vorgaben lassen sich nicht übersehen: „Unsere Lehrerin ist eine Frau. Viele Frauen haben lange Haare.“ – „Schulter – die Schultern. Der Mann hat breite Schultern.“ Oder: „Jesus ist für uns am Kreuze gestorben.“

Falls man dieses Weltbild nicht teilt, kann man sich halt darüber hinwegsetzen. Pädagogisch fragwürdig ist dagegen die Auswahl vieler Beispielsätze und Texte.

Man muss sich erst daran gewöhnen, dass die Beispielsätze untereinander zusammenhanglos und willkürlich zusammengewürfelt sind und dass es keinen Zusammenhang zum folgenden Text gibt. Wieso aber beispielsweise „Biotop“ und „Hasenstall“ zur Verdeutlichung des Begriffs „Eltern“ beitragen können, bleibt ein Geheimnis der Autoren. Das ist ein durchgehendes Manko des pädagogischen Konzepts.

Aber gehen wir einen Schritt zurück und betrachten erst einmal die verschiedenen Übungsmöglichkeiten. Klickt man in dem oben gezeigten Startbild mit den Buchrücken auf „Themenbild“, gelangt man zu einer Auswahl in Form von 35 Bildern im Kleinformat.

Klickt man eines dieser Bildchen an, kommt man zu seinem Äquivalent im Großformat, auf dem dann eine Vielzahl von Begriffen untergebracht sind.

Hier handelt es sich um Gegensätze wie z.B. süß-sauer, kurz-lang, teuer-billig usw. Vor dem Anklicken eines Details hat man die Auswahl:

Entweder man hört sich den gesprochenen Begriff einfach an (Taste mit dem Ohr), oder man hört UND betrachtet  das Mundbild in einem kleinen Filmchen, oder aber man kann in Richtung Begriffsbildung mit einem Text weiterarbeiten.

   

Aufnahmen des Mundbildes sind immer ein wenig problematisch, da man sich in der Zwickmühle befindet, einerseits sehr deutlich zu sprechen, andererseits Übertreibungen und Unnatürlichkeit zu vermeiden. Wer die Überartikulation mancher Hörgeschädigtenpädagogen kennt, mag vor diesen Videos zurückweichen. Natürlichkeit ist wirklich etwas anderes. Aber deutlich sind sie halt schon, und den guten Willen kann man den Machern nicht absprechen.

Der zweite Bereich, das „Lexikon“, führt lediglich zu einer alphabetischen Übersicht des Gesamtvokabulars, das sich beim Anklicken eines Buchstabens entsprechend verzweigt. Klickt man nun eines der Wörter an, landet man wieder bei den gleichen Seiten mit Fotos, Beispielsätzen und Geschichtchen. Leider haben die Mund- und Ohrtasten hier keinerlei Funktion. Die Lexikonseiten stellen nur einen anderen, nämlich den alphabetischen, Zugangsweg zu den Begriffen dar.

 

Der dritte Bereich ist der eigentlich kreative Teil. Hier kann man selber Geschichten verfassen und Bilder dazu malen. Die Funktionalität ist jedoch arg eingeschränkt. Ein Textverarbeitungsprogramm und ein Grafikprogramm bieten da erheblich mehr Möglichkeiten. Aber immerhin, man hat auch Eigeninitiative und sprachliche und gestalterische Optionen für die Kinder vorgesehen.

Der Wortschatz bei Gebilex ist statisch vorgegeben. Es besteht keine Möglichkeit, Ergänzungen vorzunehmen. Immerhin ist er aber so umfangreich, dass er für hörgeschädigte Grundschüler Übungsmaterial in Hülle und Fülle bietet.

 

Der Begriffetrainer

Tommys Gebärdenwelt

Fazit

 

Den Autor Bernd Rehling erreichen Sie

per Email: rehling@taubenschlag.de

oder per Fax: 04251 7406