Der Taubenschlag setzt sich gegen Abmahnung zur Wehr

Gewonnen! Taubenschlag gerettet!

21.12.2005 00:00

Für uns das schönste Weihnachtsgeschenk - wir haben einen Prozess gewonnen!

Worum es ging? Auf unserer Terminseite www.deafdate.de hatte ein Gehörloser einen Termin seines Skatclubs eingetragen, mit einem Stadtplanausschnitt als Wegbeschreibung. Dafür wurde nun Bernd Rehling als Betreiber der Website verantwortlich gemacht, per Abmahnung. Es folgte eine einstweilige Verfügung, Anwälte setzten umfangreiche Schreiben auf (die schon einen Aktenordner füllen), und der ganze "Spaß" hätte Tausende kosten können. Tausende für einen winzigen Kartenausschnitt, den wir nicht einmal selbst eingebaut hatten! Da wir den Taubenschlag, deafbase, deafdate usw. ohnehin aus eigener Tasche und ehrenamtlich betreiben, kam da schon der Gedanke auf, "die Brocken hinzuschmeißen". Wer will schon gerne arm werden, nur weil er ehrenamtlich tätig ist! Wir haben vorsorglich den "Rettungsanker geworfen" und Werbung als Geldquelle eingebaut.

Im November war Gerichtstermin in München, und am 8.12. wurde das Urteil verkündet. Was wir kaum noch zu hoffen wagten - wir haben rundum in allen Punkten gewonnen. Wichtigster Punkt in der Urteilsbegründung: Man kann nicht von uns verlangen, das Urheberrecht aller von den Usern hochgeladenen Dateien zu überprüfen.

"Einem Betreiber einer Plattform, der - wie der Antragsgegner -anderen die Möglichkeit zur Einstellung von Terminen anbietet -ist es nicht zuzumuten, jeden Terminseintrag vor Veröffentlichung im Internet auf mögliche Verletzungen fremder Urheberrechte zu untersuchen. Eine solche Obliegenheit würde den ganzen Betrieb des Online-Kalenders in Frage stellen." Das hat das Münchner Landgericht glücklicherweise verhindert. Hoffen wir mal, dass die Gegenseite nicht noch in Berufung geht. Für's erste sind wir jedenfalls mehr als happy und dem LG München und besonders unserem Anwalt, Herrn Steinle, sehr dankbar.

Falls es Sie interessiert, können Sie das Urteil gerne lesen. Nur Namen mussten wir schwärzen, und den "streitgegenständlichen" Stadtplanausschnitt unleserlich machen. Den finden Sie als "Beweisstück" auf Seite 4.

Stadtplan-Verlag gegen Taubenschlag

Können Sie sich vorstellen, dass ein kleiner Kartenausschnitt TAUSENDE kosten kann? Wenn wir in der Berufungsverhandlung am 9. November vor dem Oberlandesgericht München Pech haben, dann dürfen wir tatsächlich viele tausend € bezahlen!

Wieso das? Ein Gehörloser aus Halle hatte im Frühjahr 2005 auf unserer Terminseite www.deafdate.de einen Termin für seinen Skatclub aufgegeben. Er wusste, dass sein Hörgeschädigtenzentrum einen Vertrag mit dem Stadtplan-Verlag hat. Man braucht nur auf der Kontaktseite des Hörgeschädigtenzentrums auf "Wegweiser" zu klicken, und schon sieht man den Stadtplanausschnitt. Eine Kopie davon hat der Gehörlose dann als Wegbeschreibung bei deafdate.de in den Termin mit eingefügt. Genau das durfte er aber laut Vertrag (den er nicht kannte) nicht. Verantwortlich gemacht wurde aber nicht der Gehörlose, sondern der Taubenschlag-Betreiber. Es begann mit einer Abmahnung und endete vorerst mit dem Sieg vor dem Landgericht München vor einem Jahr (siehe oben).

Der Stadtplan-Verlag hat sich aber nicht geschlagen gegeben, sondern ist in die Berufung gegangen. Also geht es nächste Woche weiter. Die Taubenschlag-Rechtsanwälte müssen dem Gericht verdeutlichen, dass ein Website-Betreiber, also der Taubenschlag, nicht das Urheberrecht für Dateien nachprüfen kann, die von Besuchern hochgeladen und eingebaut werden. Es ist einfach unmöglich, bei jedem Bild und jedem Text nachzuprüfen, wer dafür das Urheberrecht hat. Das müssen schon die Besucher selbst tun. Bilder aber sind für uns "Augenmenschen" lebensnotwendig. Können Sie sich einen Taubenschlag oder ein deafdate ohne Bilder vorstellen? Unmöglich!

Wenn Sie uns am 9. November unterstützen wollen, dann kommen Sie als Zuschauer um 9:45 Uhr ins Oberlandesgericht. Die Verhandlung findet statt im Sitzungssaal E.41, Prielmeyerstraße 5 im OLG München.

Übrigens: Heute ist das mit den Wegbeschreibungen und Kartenausschnitten kein Problem mehr - mit Google Maps. Dort finden Sie das Hörgeschädigtenzentrum Halle mit einem Klick, und wenn Sie wollen sogar noch mit Satellitenbild, und zwar ganz legal und GRATIS!


Acht Gehörlose und zwei Dolmis waren zu unserer Unterstützung erschienen.



Unsere Anwälte Henning Wüst und Thomas Steinle

Gewonnen! Das Gericht hat die Klage abgewiesen

10.11.2006 12:16

Der Flug nach München hat sich gelohnt! Sicher hätte das Gericht nicht anders entschieden, wenn weder ein "Taubenschläger" noch deafies und Dolmis dabei gewesen wären. Für die Richter war von Anfang an klar, dass das erste Urteil richtig war, und der gegnerische Anwalt musste "um sein Leben reden". Aber es war schon ein tolles Erlebnis, zu hören, wie die Richter genau unsere Argumente brachten. Und SUPER war natürlich die Unterstützung durch die Münchner Gehörlosen und zwei Dolmis. Dafür möchten wir allen ganz herzlich danken, auch der Dolmetschervermittlung, Nela und KK - und last but not least unseren Anwälten! Schön war es auch, alte Bekannte nach vielen Jahren wieder zu treffen.

Zum Urteil ist eigentlich nicht viel zu sagen, weil ja das alte Urteil voll bestätigt wurde. Erstaunlich und geradezu sensationell war, dass das Urteil SOFORT gesprochen wurde. (Auf das erste mussten wir einen Monat warten.) Das Urteil ist rechtskräftig, d.h. es gibt KEINE Berufungsmöglichkeit mehr.* Der Stadtplanverlag muss ALLE Kosten tragen, Gerichtskosten und die Kosten für den eigenen Anwalt und unsere Anwälte. Wir brauchen also NICHTS zu zahlen.

Was bedeutet das Urteil inhaltlich? Nicht der Websitebetreiber ist verantwortlich für Dateien, die Nutzer hochladen oder einbauen, sondern die Nutzer selbst. Das bezieht sich nicht nur auf Stadtplanausschnitte, sondern auf ALLE Dateien, auf Bilder, Logos, Gedichte, Texte usw. Wer bei deafdate, in Foren usw. etwas einfügt, ist dafür SELBST verantwortlich! Vorsicht also! Keine Texte oder Dateien benutzen, die vielleicht urheberrechtlich geschützt sind! - Aber dazu will unser Anwalt Thomas Steinle, ein Fachmann im IT-Recht, noch einen erläuternden Text schreiben.

Dieses Urteil ist nicht nur für uns eine große Erleichterung. Es hat sicherlich für alle Betreiber von Websites und vor allem von Foren eine große Bedeutung. Ein richtungweisendes Urteil also! Wenn man weiß, dass das Abmahn-Unwesen ein millionenschwerer Geschäftszweig ist und dass tausende Betroffene diesen Abmahnern hilflos ausgeliefert sind, dann kann dieses Urteil den Glauben an Recht und Gesetz wieder stärken.

Noch eine kleine Anmerkung: Im gl-cafe wird über dieses Thema lebhaft diskutiert. Wir sind natürlich SEHR froh, zu lesen, wie sehr die deafies am Taubenschlag hängen und ihn unterstützen. Aber auch wenn wir verloren hätten - den Taubenschlag hätten wir deshalb NIE geschlossen!

* (Erläuterung unseres Anwalts: Dies Verfahren war ein "Eilverfahren". Der Stadtplanverlag könnte theoretisch noch ein Hauptverfahren anstrengen. Dann ginge alles von vorne los, von Landgericht über Oberlandesgericht bis zum Bundesgerichtshof. Aber da die Gegenseite von zwei Gerichten total abgeschmettert worden ist, wird sie sich in Bezug auf ein Hauptverfahren kaum Hoffnungen machen können. Ist also sehr unwahrscheinlich.)

Urteil vom 9.11.2006

19.12.2006 08:45

Viele Taubenschlag-Besucher haben mit uns gebangt, uns die Daumen gedrückt, uns tatkräftig als Zuschauer im Prozess unterstützt - und sich mit uns über das Urteil gefreut. Wer mag, kann es jetzt nachlesen. Unser Anwalt Thomas Steinle (vor dem OLG München wurden wir durch RA Henning Wüst vertreten) hat auf seinem Weblog das Urteil dargestellt und kommentiert.

Urteil des OLG München vom 9.11.2006

Weblog unseres RAs:
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Taubenschlag setzt sich gegen Abmahnung zur Wehr