Dr. phil. Horst Biesold ist tot.

"Unser Horsti ist tot" - so schreibt es seine Familie in der Todesanzeige, und so können es auch viele KollegInnen, vor allem aber seine ehemaligen SchülerInnen und StudentInnen formulieren.

Horst stand immer auf der Seite der Hörgeschädigten. Zu Zeiten, als das noch recht riskant war, setzte er sich für die Gebärdensprache ein. Selbstverständlich war auch der Einsatz für hörgeschädigte KollegInnen - die so gar nicht in die Ideologie zu passen schienen. Das Thema, das ihn über Jahrzehnte beschäftigte, bis zu seinem Tode, war das Schicksal der Gehörlosen in der Nazizeit: Sterilisationen "erblich Kranker", "Euthanasie" und die Verfolgung gehörloser Juden. Darüber schrieb er seine Doktorarbeit, die unter dem Titel "Klagende Hände" als Buch erschien. Damit hatte er ein Thema aufgegriffen, das bis dahin tabuisiert war, und er stieß anfangs auch auf massive Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, da manche Kollegen meinten, man solle das Thema besser ruhen lassen. Genau das aber tat Horst nicht. Er erstellte ein umfangreiches Archiv, das heute der Universität Hamburg angegliedert ist. Er zeigte Schicksale auf, die seine LeserInnen und StudentInnen erschütterten. Es entstanden aber auch langjährige Freundschaften. So verdanken wir Horst die "Entdeckung" von David Bloch, desssen Ausstellung z.Z. noch in München zu sehen ist. Gehörlose Opfer des Naziterrors erhielten auf Betreiben Horst Biesolds eine Entschädigung, auch wenn sie eher symbolischen Charakter hatte. Obwohl seine Arbeit von vielen KollegInnen lange mit Skepsis betrachtet wurde, gab es schließlich doch eine Erklärung des BDH, in der man "sich nachdrücklich von dem Verhalten dieser Kollegen distanzieren und die Opfer um Verzeihung bitten" musste.

Nach seiner Zeit an der Gehörlosenschule in Bremen hatte Horst Lehraufträge an den Unis in Bremen und Hamburg. Zeitweise war er ein "Hans Dampf in allen Gassen", machte Rundfunksendungen, Beiträge für "Sehen statt Hören", hielt Vorträge, organisierte Ausstellungen. Mehrfach durfte er auch im Ausland referieren, und seine "Klagenden Hände" wurden ins Englische übersetzt: "Crying Hands - Eugenics and Deaf People in Nazi Germany". Sie dürften wohl das einzige Werk eines deutschen Gehörlosenpädagogen sein, das vom United States Holocaust Memorial Museum zum "Item of the Month" erklärt wurde.

Noch vor wenigen Wochen erklärte Horst mir am Telefon - bezugnehmend auf seine schwere Erkrankung - "Du weißt, ich bin ein Kämpfer!" In diesem Kampf hatte er letztlich keine Chance. Dabei brauchen wir Kämpfer für die Sache der Hörgeschädigten so nötig. Nicht nur deshalb, weil es schon wieder Menschen gibt, die sich für die Vernichtung "lebensunwerten Lebens" einsetzen.

Horst wird uns fehlen.

Bernd Rehling