Mutter eines gehörlosen
Sohns :
(Zitate aus einer email)
Eine junge Frau ruft mich an, ganz verzweifelt wirkt sie auf mich.
"Bitte ich weiß keinen anderen Weg mehr, bitte können Sie mir helfen?
Mein Sohn ist 13 Jahre, er ist zu 100% gehörlos. Er geht in eine Gehörlosen-Schule
(ich lasse den Namen der Schule bewußt weg). Dort begreift er aber gar
nichts, er kommt nicht mit im Unterricht, er versteht überhaupt nichts.
Ich habe überall nachgefragt, bei den Frühförderstellen, bei den Lehrern
bei den Ohrenärzten, bei Verbänden, keiner kann mir sagen wie ich meinem
Sohn helfen kann. Ich möchte doch, daß er ein normales Leben leben kann.
Ich möchte, daß er etwas lernt. Bei den Ohrenärzten wird mir das CI (Cochlear
Implanta) empfohlen, bei den Lehrern heißt es nur mein Junge sei agressiv,
er wolle nicht lernen, aber wie kann er? Die bieten keine Unterricht in
Gebärdensprache, obwohl er auch nicht gut gebärdet, er würde, das merke
ich zu hause, wenn ich ein paar natürliche Gebärden einsetze, bestimmt
mehr verstehen.
Er könnte bestimmt etwas lernen.
In der Schule haben sie noch nicht mal Microportanlagen, vielleicht könnte
er ja dann doch was verstehen? Aber nein, sicher nicht, alle Ärzte sagen
ja, er ist zu 100 % gehörlos. Ich traue mich aber nicht noch mehr in der
Schule zu fragen, mein Sohn könnte Nachteile haben, die Lehrer wären sicher
nicht gut auf ihn zu sprechen, wenn ich mich ständig beschwere. Was soll
ich nur machen? Ich möchte, daß er in eine andere Schule geht, in der
er gefördert wird, mit Gebärden, daß er Gebärdensprachunterricht bekommt,
jedes Kind in der Schule bekommt doch auch Deutschunterricht, warum werden
gehörlose Kinder nicht in Gebärdensprache unterrichtet?
Bitte sagen Sie mir doch, was ich machen kann!!! Ich fühle mich so allein
gelassen. Ich sitze hier in einem kleine ländlichen Dorf."
So gut ich konnte, gab ich ihr Auskunft, über Schulen, über Gebärdensprachkurse
und gab ihr Adressen und Infos zu weiteren Hilfsmitteln und Elternverbänden,
mit Eltern, die genauso fühlten wie sie.
Sie bedankte sich so sehr, daß es mir fast weh tat.
Das Gespräch ließ mich lange nicht los. Wo sind die, die es zu ihrem
Beruf gemacht haben diesen Leuten zu helfen? Warum können Frühförderstellen
nicht einfach mal über ihren Schatten springen und etwas anderes als Hörtraining,
Ablesenlernen und Sprachübungen empfehlen.
Wo sind verantwortungsbewußte Pädagogen, die keine Angst um ihren Job
haben? Wo sind die Pädagogen, die auch die Alternativen kennen und vorschlagen,
wenn sie merken, daß sie am Ende ihrer Weisheit sind. Warum beharren sie
selbst in solchen Situationen auf ihrer starren eingefahrenen Meinung?
Warum kann man diesen Müttern nicht helfen, sie unterstützen, diesen
Müttern, die ihre Kinder lieben und ihnen eine gute Zukunft wünschen.
Warum können Ohrenärzte und Hörgeräteakkustiker nicht sagen, mit Hören
ist nichts zu machen, aber ihr Sohn kann Gebärdensprache lernen und seinen
Weg gehen. Er wird sich in der Gemeinschaft der Gehörlosen wohlfühlen
und sich als nichtbehindert sehen können. Er muß nicht, wie z.B. dieser
Mutter gesagt wurde, in eine Behinderten-Werkstatt, er kann einen ganz
normalen Beruf lernen und ganz normal leben.
Karin
Kestner
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