Unter diesem Titel ist im Matthias-Grünewald-Verlag in Mainz (Edition Psychologie und Pädagogik) ein Buch von Adelheid Christl erschienen. Die Autorin (Jahrgang 1953) ist 1980 nach einer Krankheit ertaubt. In ihrem Buch schildert sie die besondere Situation ertaubter Menschen. Das Buch umfaßt 115 Seiten und versteht sich als informativer Ratgeber (...) für ertaubte Menschen und für alle, die beruflich und privat mit ihnen zu tun haben." (Klappentext)
Die ersten beiden Kapitel des Buches beschreiben die Bedeutung des Gehörsinns für den Menschen" und die Medizinischen Aspekte des Hörens" und bieten kurz zusammengefaßt das notwendige Grundwissen zum Hören und den Funktionen der Hörorgane.
In den folgenden zwei Kapiteln wird die Besonderheit der Ertaubung im Gegensatz zur Gehörlosigkeit (von Geburt an oder prälingual). Vor allem die Probleme bei Ertaubung eines Erwachsenen, der einen langen, komplizierten Prozeß der Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung im Besitz des vollen Hörvermögens durchlaufen" (Seite 25) hat, werden thematisiert. Ist das Hörvermögen ein Teil der Identität des Erwachsenen geworden, so ist sein Verlust ein traumatisches Erlebnis. Dieses traumatische Erlebnis vergleicht Christl mit dem Erleben einer Trauersituation beim Verlust eines nahestehenden Menschen. Angelehnt an Verena Kast (Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses, Stuttgart: Kreuz Verlag 1982) stellt Christl die vier Phasen der Trauer beim Hörverlust dar.
Im fünften Kapitel stellt die Autorin sechs Grundsätze für die Hilfe auf, die wiederum eng an die Phasen der Trauer angelegt sind und konkretisiert im sechsten Kapitel die Hilfe durch den Aufbau neuer nonverbaler Kommunkikationssysteme". Das achte Kapitel gibt einen kurzen Überblick über medizinische und technische Hilfsmittel.
Die Auswirkungen der Ertaubung in Öffentlichkeit, Familien- und Berufsleben beschreibt das siebte Kapitel. Besonders die (als schmerzlich und degradierend empfundenen) Veränderungen der Beziehungen nach dem Hörverlust werden verdeutlicht.
Das Ziel ihres Buches beschreibt Adelheid Christl in ihrer Schlußbemerkung: Mit dieser Arbeit wird versucht, einen Einblick in die Schwierigkeiten von ertaubten Erwachsenen bei der Lebensbewältigung zu geben und entsprechenden Hilfen und sozialarbeiterische Interventionsmöglichkeiten aufzuzeigen."
Interessant an diesem Buch ist vor allem die Verbindung der Erfahrung des Verlustes der Hörfähigkeit mit den bekannten Phasen der Trauer. Zwar ist mittlerweile immer wieder darauf hingewiesen worden, daß sich die Trauerphasen (gleich wie man sie gegeneinander abgrenzt) in vielen (vielleicht in allen) Verlusterlebnissen wiederfinden lassen.
Adelheid Christl gelingt aber die Übertragung sehr gut. Auch die von ihr aufgestellten Grundsätze zur Hilfe mögen eine gute Unterstüzung der Arbeit mit erwachsenen Ertaubten bieten.
Das Buch liest sich leicht und gut, was aber auch daran liegen mag, daß vieles in ihm schon aus anderer Literatur oder eigener Erfahrung bekannt ist. Außerdem bleibt das Buch in manchen Teilen sehr an der Oberfläche.
Insgesamt finden sich in diesem Buch aber eine ganze Reihe nützlicher Tips im Umgang mit Ertaubten, besonders in der Situation der konkreten Krise in der Zeit nach dem Hörverlust. Da Christl aus eigener Erfahrung schreibt, ist das Buch auch als ein Reflexion der Bewältigung des Hörverlustes aus erster Hand zu verstehen.
Ronald Ilenborg
- 22.1.98 -