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Betrifft: UNTERTITEL für hörgeschädigte....Erneuter appell an die privaten sendeanstalten .... 05.01.2000

Sehr geehrte damen und herren,

warum ist es mehr als gerecht, die schönsten unterhaltungsthemen- und filme zur besten sendezeit mit untertitel zu versehen? Lassen sie sich mal erklären, warum ihre ablehnende haltung gegenüber der untertitelung für hörgeschädigte betriebswirtschaftlich eigentlich sinnlos ist.

Im gesamthaushalt ihres senders beansprucht dieser vorgang (untertitelung) einen verschwindend geringen teil. In der anlehnung an den pleitier schneider haben dessen banker von peanuts gesprochen. Für sie sind es echte peanuts, nur keine verlorenen! An den umsätzen ihres senders gemessen, gehört der vorgang in die kategorie taschengeld!

In dem sie sich in der verteilung dieses taschengeldes schottischen maßstäben unterwerfen, ersehen sie nicht im geringsten den tatsächlichen wert der untertitelung! Ja, sie verstehen richtig, wir fordern die untertitel nicht aus einer sozialen randgruppen- und almosenmentalität heraus sondern im marktwirtschaftlichen rahmen von angebot und nachfrage!

Wenn sie in kategorien von marktanteilen denken, dann sollten ihre finanzstrategen nicht vergessen, daß in den statistiken, die nur einen bruchteil der bevölkerung als "untertitelgeeignet" ausweisen, eine ziemlich hohe dunkelziffer vergessen wurde.

Viele hörbehinderte konnten durch ein ungerechtes schulsystem (siehe beschluss des mailänder kongress der taubstummenlehrer v. 1880), nicht richtig ausgebildet werden. Sie sind somit im gebrauch der deutschen schriftsprache alles andere als gewandt. Sie können aber ohne weiteres untertitel lesen, sich jedoch nicht in schriftform klar ausdrücken und somit ihren forderungen nach geeigneten untertiteln nachdruck verleihen. Daß dies eine nicht unerhebliche randgruppe darstellt, ist wohl übersehen worden. Einfacher gesagt: Dieser großen gruppe fehlt der mut zum schreiben! Auch ihre telefonische hotline für zuschauerwünsche wird nie von uns auch nur einen "pieps" vernehmen! Ehrlich und spektakulär gesagt: Könnten alle hörbehinderte mal kurz bei ihnen wegen einer möglichen untertitelung "anrufen", ihre hotline würde verglühen!

Viele hörbehinderte sind ausschließlich auf visuelle kommunikation angewiesen und somit, sagen wir es lapidar, fleißige fernseher!

Darüber hinaus vergessen sie einfach die millionen (ich schreibe bewußt -millionen-!) hörgeräteträger, welche mit ihren geräten zwar hören aber auch nicht mehr so viel verstehen können. Da es sich, wie gesagt, um -hörgeräte- handelt und nicht um -verstehgeräte-, sind diese sorte von hörbehinderten über jede untertitelsendung begeistert! Darüberhinaus sollten sie wissen, daß viele "fast" taub geborene hörbehinderte auch diese geräte tragen, u.a. auch sogenannte „cochlear implants“, um nur mal laute geräusche wahrzunehmen! Wenn ihnen irgendein akustikerverband irgendwelche statistiken zur verfügung gestellt hat, dann vergessen sie diese schnellstens. Nur betroffene selber wissen, was in bezug auf nichthören und nichtverstehen hinausläuft und nicht irgendein hörgerätevermarkter mit topp-ohren! In der regel sind hörgeräte zum fernsehhören selten geeignet , viele greifen noch zu teuren microportanlage bzw. anderen stärkeren hörhilfen. Sie sehen, diese hörgeschädigten freuen sich über jede untertitelung der öffentlichen! Merke: Keine einzige hörhilfe macht einen hörbehinderten zum normalhörenden!!!!

Ein ernstzunehmender umstand ist die wachsende altersschwerhörigkeit und nicht nur nach jedem discobesuch schnellt diese krankenziffer nach oben. Da sind eingebaute zeitzünder drin, welche generationen von jugendlichen im alter ein frühes handicap bescheren.

Hörgeräteakustiker reiben sich die hände, wenn sie an die späteren umsätze denken (kein witz! siehe ähnlich geartete rundschreiben eines fachverbandes der hörgeräteakustiker). Eigentlich sollten sie sich auch in den kreisen dieser "händereiber" (verzeih) befinden, den mit fast jeder hörschädigung schnellt ihre zuseherschar nach oben, vorausgesetzt, sie untertiteln ihre sendungen!

Viele hörgeräteträger gehen unauffällig und mit stiller "leidensdemut" unter uns herum, frei nach dem motto: "Nur nicht auffallen". Welch ein irrsinn! Unsere politische gesellschaft fordert die integration aller behinderten und nichtbehinderten zu einem gerechten miteinander auf und liefert nur klägliche argumente über das know how! Sie als sender haben eine hohe medienpolitische verantwortung gegenüber ihren zusehern und werden wohl oder übel in die verantwortung genommen. Hier haben sie die möglichkeit, kommerz und wohltat zu verbinden.

Sogar gehörgeschädigte rollifahrer sind nicht selten und eine besonders treue untertitel-fangemeinde. Warum zögern sie noch, uns mit passenden untertitelsendungen zu beglücken?

In ihren augen sind hörgeräteträger wohl "normale" individuen, die tv-sendungen sowieso ansehen, egal ob sie untertitel beinhalten oder nicht. Das ist ein gewaltiger irrtum und die typische denkweise von kaultschnäuzigen marktstrategen wie sie.

Fakt ist: Jeder Hörbehinderte ist ein konsument! Er kauft vom alfa romeo bis vw jedes fahrbare produkt, er steckt varta-batterien in seine siemens-hörgeräte, er telefoniert in gebärdensprache mit dem bildtelefon der deutschen telekom, er nimmt sich dazu möglicherweise einen anbieter im call by call-verfahren, er tankt markenbenzin, macht reisen mit LTU in die karibik, isst iglo- und langneseprodukte, schlürft knorr- und maggisuppen, genießt hasseröder pils oder läßt sich ein (bitte ein)bit einträufeln, gießt apollinaris oder adelholzner durch die kehle, kauft bei bauhaus, obi oder praktiker die farben und bretter für sein eigenheim, nascht mit vergnügen duplo oder aftereight und spült sie mit coca cola / sprite runter. Warum zögern sie denn immer noch, dieser kaufstarken konsumentengruppe eine wichtigen botschaft vorzuenthalten: UNTERTITEL!! Schon einmal daran gedacht, daß auch werbung mit untertitel ankommen kann? Manche werbung hört und sieht man gerne, wir auch!!! Hörgerätewerbung kann mit untertitel effektiver wirken, oder nicht?

Sogar der äußerst beliebte "kinderkanal" und andere sendungen für die jugend bleibt den hörbehinderten kindern und jugendlichen vorenthalten. Wenn die sender wüßten, welche kaufkraft diese hörbehinderten konsumenten später entwickeln. Wünscht ein hörgeschädigtes kind von sich aus eine barbiepuppe, wenn es nicht vorher von der werbung "überzeugt" wurde? Wahrscheinlich nie, denn ein hörbehindertes oder taubes kind kennt kaum einen sender, der mit untertitel und gebärdensprache seine sendungen bereichert und es auch anspricht. Die öffentlichen haben mit der "sendung mit der maus" einen riesigen erfolg bei den kleinen und auch großen hörbehinderten. Bei ihnen reicht ihre sehkraft leider nur bis zur eigenen nasenspitze, sonst hätten ihre finanzpolitischen sprecher diese möglichkeit einer näheren betrachtung unterzogen.

Wie wäre mal eine sendung mit einer gehörlosen "vera" oder "verona", welche hörgeschädigte in der gebärdensprache interviewt? Dazwischen werbespots für Lichtwecker, Lichtklingelanlagen, Telefonblinkmeldern, Bildtelefone, Videoreorder für untertitelaufnahmen, Hörgeräte, Faxhandys, Urlaubsangebote für die jeweilige behinderung, Tauchkurse mit Gebärdensprache (lautlose unterwasserwelt, sie verstehen!) sowie gebärdensprachkurseinrichtungen und vieles mehr.

Würde die sendung "sehen statt hören" (Regionalprogramme) die richtigen produkte vermarkten, dann hätten wir mehr als nur diese winzige halbstündige sendung für hörgeschädigte zur "besten" sendezeit am sonntagmorgen um 8 h! Wir müßten dann auch nicht hinnehmen, daß unsere  sendung während der ferienzeiten nicht aktiv ist !

Nie vergessen : Das programm des hörbehinderten ist auch das programm seiner familien und freunden! Sogar Mcdonalds sagt : "Die kinder entscheiden, wo die eltern essen !"

Die obige konsumliste könnte fortgesetzt werden, aber ich will ihnen etwas anderes erklären:

Bitte beurteilen sie uns nicht mehr als lästige, unbedeutende randgruppengesellschaft sondern als potentielle zuseher und angemessenes marketingobjekt. Wenn sie und ihre sendeanstalt sich gegenüber dieser spezies öffnen, werden sie über die resonanz überrascht sein. Sie tun dann gleich 2 wichtige dinge mit einem schlag:

1. Sie steigen in der zusehergunst !

Welcher hörgeschädigte, ob klein oder groß, hat keine hörende verwandten und freunde, die sich mit ihm freuen würden, wenn sie gemeinsam z.b. "Jenseits der stille" und "Dornenvögel" gucken!

Beide wurden erfolgreich von den öffentlichen untertitelt. Umfragen nach hatte dies eine gewaltige resonanz zur folge. Die meisten hörbehinderten-medien wiesen auf diese sendungen hin, hörbehinderten-internetseiten machten vehement unübersehbare einträge, sowie die millionenfachen faxrundschreiben unter den hörbehinderten, die sich, ähnlich im schneeballsystem, gegenseitig auf die jeweilige sendung mit untertitel aufmerksam machen.

Damit öffnen sie ihren werbekunden tür und tor. Sogar einen steigerung der zuseherakzeptanz von 1% (und das decken wir locker) schlägt sich als pluspunkt auf der kommerziellen seite bei ihnen nieder und liefert ihnen zusätzliche verkaufsargumente. Dagegen sind die kosten für untertitel schwindend gering!

2. Sie tun ein gutes werk und erfreuen sich einer künftig großen beliebtheit !

Sie fördern geistiges gut der hörbehinderten und verhindern den rückfall in die schädliche isolation einer tauben welt. Sie fördern die verbreitung kultureller werte der hörbehinderten.

Das interesse der hörenden an der gebärdensprache explodiert. Die volkshochschulen melden ausverkaufte gebärdenkurse. Von sozialem almosen- und rangruppensegment sind wir so weit entfernt, wie der papst von der sünde. Wir können mit hilfe unserer gebärdensprache und den untertitelten nachrichten, themen und news unserem leben eine neue qualität geben.

Der sender, der uns dabei hilft, ist dann ein wichtiger begleiter durch unser lautloses leben. Wir vertrauen dann auch seiner werbung und seiner botschaft!

        Bitte schnellstens mal ausrechnen, was euch untertitelte sendungen einbringen und welchen imagegewinn ihr vermelden könnt, wenn die "Gesetzliche anerkennung der gebärdensprache" durchkommt ! Videotext stört keinen hörenden zuschauer! Der hörbehinderte kann ihn nach belieben zuschalten!

Holt euch die angebote von den untertitelherstellern. Aus marktwirtschaftlicher und ethischer sicht sind untertitelte sendungen ein gewinn für alle, auch für sie!

Worauf warten sie noch? Machen sie das geschäft : "Untertitel gegen kaufkraft" !

Mit freundlichen Grüßen

Albert Schmidt