Cochlear Implantate
von Marianne K.
Ich weiß, das ist ein furchtbar heißes Eisen, aber wenn man als Eltern überlegt, was das beste für ein Kind ist, sollte man sich zumindest damit beschäftigen. Nach längerem Herumlesen und Abwägen von Pro und Contra bin ich zur folgenden Einstellung gekommen. (Vielleicht sollte ich noch dazu sagen, daß ich Sprachwissenschaftlerin bin, mich während des Studiums und meiner Doktorarbeit ziemlich ausgiebig mit Sprachentwicklung und Hirnforschung beschäftigt habe und jahrelang als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Lehrstuhl für Elektrotechnik und Akustik mitgearbeitet habe.)
Ich glaube, das Hauptproblem an den Cochlear
Implantaten (oder CI) ist, daß alle Empfänger über einen Kamm geschoren werden.
Die sogenannte sensible Phase für die menschliche Sprachentwicklung ist anerkanntermaßen
innerhalb der ersten drei Jahre praktisch abgeschlossen. Was sich in dieser Zeit nicht an
Nervenverbindungen im Gehirn gebildet hat, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch
nicht mehr bilden. (Um so wichtiger ist es also, ein Kind in dieser Zeit mit Sprache
zusammenzubringen, in welcher Form auch immer).
Wir müssen aber zwischen Sprache und Hörvermögen unterscheiden. Hören ist ein ziemlich komplizierter Vorgang, bei dem die Hörschnecke (Cochlea) die einkommenden Geräusche nach Frequenzen sortiert und jeweils unterschiedliche Nervenfasern des Hörnervs angeregt werden. Auch das muß erst gelernt werden, und wie beim Sehen, sind die ersten Jahre sicher die wichtigsten, um die entsprechenden Nervenverbindungen zu bilden. Dieses Frequenzgewusel muß dann mit Bedeutungen verknüpft werden. Wenn man Leute hört, die unterschiedliche Dialekte sprechen, kann man sich vorstellen, daß die Abbildung sehr unterschiedlich ausfallen kann. Ähnlich ist es mit einer Fremdsprache: eine Sprache die uns unbekannt ist, kommt uns vor wie ein Brei. Sobald wir die Sprache lernen, selbst wenn uns noch viele Wörter fehlen, können wir Form in den Wortbrei bringen.
Es muß sehr schwierig sein, wenn ein Kind, das nie gehört hat, erst im Schulalter ein CI bekommt. Zu dieser Problematik gibt es sicher ganz unterschiedliche Haltungen.
Aber Kinder oder Erwachsene, die das Hören als Fähigkeit beherrschen, und denen sozusagen das ‘Kabel abgeschnitten wurde’, haben meiner Ansicht nach gute Chancen, den Dialekt, den das CI produziert, auf die bekannten Sprachmuster abzubilden. Erfahrungsberichte Spätertaubter unterstützen diese Einschätzung.
Für uns sind wir zum Schluß gekommen, daß wir sofort, wenn denn der Hörverlust weiter fortschreitet und die Hörgeräte nicht mehr ausreichen, eine CI Implantation anstreben werden.