Merkt man das dem Kind denn nicht an?
Auch wenn die meisten Mädchen und Jungen nicht wagen, offen über den sexuellen Missbrauch zu reden, so teilen sie sich dennoch mit, um diese unerträgliche Situation zu beenden. Ihre verdeckten Hinweise sind aber für Dritte oft schwer verständlich.
Ein Anzeichen für sexuellen Missbrauch kann sein, dass sich das
Verhalten eines Kindes ändert, ohne dass ein Grund ersichtlich ist. Vielleicht ist sie
oder er auf einmal verschlossen und bedrückt, zieht sich zurück, erzählt nicht mehr
unbefangen von alltäglichen Erlebnissen. Oder aber das Kind ist plötzlich übernervös
und unruhig, zeigt vielleicht ein unübliches aggressives Verhalten. Manche Mädchen und
Jungen spielen nach, worüber sie nicht reden dürfen, oder benutzen eine auffällige
sexuelle Sprache. Mag sein, das Kind meidet plötzlich bestimmte Orte, Situationen oder
Personen. Man hat das Gefühl:
Was ist bloss mit ihr los, so war sie doch sonst nicht. Irgendwas stimmt mit ihm nicht, so kenne ich ihn ja gar nicht.
Diese Verhaltensänderungen können immer auch verschiedene andere Gründe haben, die Ernst zu nehmen und wichtig sind, die Ursache kann aber auch ein sexueller Missbrauch sein.
Manche Mädchen und Jungen versuchen sich langsam und vorsichtig an ein
Gespräch heranzutasten. Sie machen Andeutungen, die wir auf Anhieb nicht verstehen und
sagen vielleicht:
Der Herr Soundso ist blöd
oder
Ich will nicht mehr mit dem Opa spielen
oder
Ich geh aber nicht mehr zu Frau Soundso zur Nachhilfe.
Ist die Antwort:
Jetzt werd nicht frech, Herr Soundso ist sehr nett
oder
Mach dem Opa doch die Freude, er hat dich so gern
oder
Du willst doch gute Noten haben und dafür ist die Nachhilfe wichtig
wird das Kind natürlich nicht weitererzählen. Es glaubt jetzt sogar, die Eltern seien
mit den schlimmen Dingen, die Herr Soundso, der Opa oder die Nachhilfelehrerin machen,
einverstanden.
Fragen die Eltern dagegen interessiert nach
Warum findest du Herrn Soundso denn blöd?
Was spielst du denn mit Opa?
Was macht denn die Nachhilfelehrerin?
hat das Mädchen oder der Junge eine Chance, das Geheimnis preiszugeben.
Jedes Kind versucht, den sexuellen Missbrauch zu verhindern.
Es ist vielleicht ganz besonders artig, es geht dem Täter aus dem Weg, nimmt den Hund mit ins Bett, bemüht sich, nicht aufzufallen, es versucht, sich durch dicke Kleidung zu schützen, verbarrikadiert die Zimmertür mit Spielzeug, schläft bei den Geschwistern im Bett und, und, und.
Alle betroffenen Mädchen und Jungen wehren sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den sexuellen Missbrauch.
Wenn der Täter sich nicht abschrecken lässt, bleibt nur die Hoffnung, dass einem Erwachsenen in der Umgebung dieses Verhalten auffällt und er oder sie den stummen Botschaften des Kindes nachgeht.
Also:
Nehmen Sie sich Zeit, mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn über alle Erlebnisse zu
reden. Seien Sie offen und interessiert und hören Sie genau hin. Sprechen Sie an, wenn
Ihnen etwas auffällt, ohne Vorwürfe zu machen. Drängen Sie dem Kind nicht Ihre Meinung
auf, sondern lassen Sie es eigene Eindrücke und Einschätzungen äussern. Und vertrauen
Sie Ihrem Gefühl, wenn Sie meinen, mit Ihrem Kind stimmt etwas nicht.