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1. Astronomie und Astrologie - Zwei ungleiche Geschwister inhaltweiter

Schon der Titel der Sendung "Astrologie - Hokuspokus oder Wissenschaft?" wird uns sicherlich sowohl den Zorn von Wissenschaftlern als auch von Astrologie-Gläubigen zuziehen. Für Astronomen ist Astrologie uralter Zauber ohne jede rationale Grundlage, Astrologen selbst halten ihre Dienste für Erfahrungswissen und als solches überprüfbar - jedenfalls im Prinzip. Trotzdem haben wir uns an das Thema gewagt - mit kritischem Sachverstand, ohne Vorurteile. Schließlich ist "Wissenschaft nichts anderes als verfeinertes Alltagswissen" (Albert Einstein). Viele verwechseln oft die beiden Begriffe Astronomie und Astrologie. ASTRONOMIE, das ist die naturwissenschaftliche, physikalische Erforschung des Kosmos; ASTROLOGIE dagegen verbindet den Makrokosmos mit dem Mikrokosmos Mensch.

Es wird vielfach behauptet, Astrologie sei die Mutter der Astronomie. Doch wenn man ehrlich ist, liegen die Ursprünge beider Disziplinen völlig im Dunkeln. Wichtiger aber ist die Tatsache, daß in Mesopotamien und Ägypten beide Disziplinen überhaupt nicht getrennt gesehen wurden. Für sie wäre die Unterscheidung völlig unlogisch gewesen. Nach den damaligen Vorstellungen waren die Planeten nicht Himmelskörper, sondern Götter und unsterbliche Menschen, die Sterne nicht leuchtende Gasbälle, sondern die Seelen Verstorbener. Den Himmel zu studieren, bedeutete also gleichzeitig auch, den Menschen und sein Schicksal zu untersuchen. Gleichzeitig war der Sternenhimmel und seine Bewegung die beste und genaueste Uhr, die man kannte. Jagd, Aussaat und Ernte konnten am Himmel abgelesen werden. Kein Wunder, daß daraus Zeichendeutung und Weissagung hervorgingen...
Astronomie und Astrologie zusammen waren eingebettet in ein geschlossenes Weltbild, einer Sternenreligion, die alle menschlichen und kosmischen Bereiche erfaßte. Das war in allen Hochkulturen so: in Ägypten, Mesopotamien, auch in China und Indien. Dennoch hat sich das Gesicht der Astrologie im Laufe der Zeit sehr verändert. Die ältesten Horoskope und Deutungen sind sicher 4000 Jahre alt und stammen aus Babylon und Chaldäa. Es sind aber keine individuellen Voraussagen für Menschen "wie du und ich", sondern ganz knappe Sätze für das Schicksal eines Volkes oder seines Herrschers, den Ausgang einer Schlacht oder ähnliches. Horoskope, wie wir sie heute kennen, sind 2000 Jähre jünger. Das älteste Horoskop stammt vom 29. April 410 vor Christus und sieht auch fast so aus wie ein modernes Horoskop - nur nicht auf Papier geschrieben, sondern auf eine Tontafel geritzt.

Einfachste Form astrologischer Aussagen sind Sätze wie "Sie sind ein typischer Wassermann", "Zwillinge sind gute Juristen" oder "Widder und Stier harmonieren nicht." Es sind Gesprächsfetzen von Parties, die auch Astrologen selbst nicht als seriös ansähen. Sie finden sich in Zeitungen, Zeitschriften und Astroshows, und beherrscht den boomenden Astromarkt. Nichtsdestotrotz, was ist dran an dieser reinen "Sonnenstand-Astrologie"? "Sonnenstand" deshalb, weil das Tierkreiszeichen, das man ist, den Himmelsabschnitt bezeichnet, in dem die Sonne bei der Geburt steht. Ein Widder ist zum Beispiel zwischen dem 21. März und 19. April geboren - in dieser Zeit steht die Sonne im Tierkreiszeichen Widder. Es läßt sich mit gutem Gewissen sagen, daß an Aussagen der Sonnenstand-Astrologie nichts dran ist. Kein Gebiet der Astrologie ist besser untersucht worden. In umfangreichen Tests wurden Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmustern und den Typologien der Tierkreiszeichen untersucht. Ergebnis: Es besteht kein Zusammenhang. Ebenso findet sich kein Zusammenhang zwischen Beruf und Tierkreiszeichen. Psychologen können auch mit einer Erklärung aufwarten, warum sich diese Form der Astrologie dennoch so hartnäckig halten kann: Die Typologisierung der zwölf Zeichen ist inzwischen so bekannt (auch wenn man nicht an sie glaubt), daß allein die unterschwellige Kenntnis unsere Wahrnehmung und Einordnung anderer Menschen vorstrukturiert.

Aussagen der komplexen Astrologie, also insbesondere Horoskope, wie wir sie auch in der Sendung haben anfertigen lassen, lassen sich ebenso überprüfen. Auch hier ist das Ergebnis: Weder Ehen, noch Berufswahl, weder Katastrophe noch Weltkriege lassen sich mit kosmischen Konstellationen in Zusammenhang bringen. Die Schwierigkeit dieser Untersuchungen liegt einfach darin, daß in einem Horoskop die Zahl der Größen ins Astronomische wachsen kann (12 Zeichen, 12 Häuser, 10 Planeten, mehr als 5 Aspekte usw). Wenn man nun die Stichprobe sehr groß wählt, wird man immer statistisch signifikante Zusammenhänge finden - sie sind aber in weiteren Experimenten nicht wiederholbar. Bestes Beispiel sind die legendären Experimente und Untersuchungen des Forscherehepaaars Gauquelin aus Frankreich. Ihre Ergebnisse mit Stichproben von teilsweise hunderttausend Menschen sorgten für Aufregung auch in der Wissenschaft. Aber alle Versuche, die Ergebnisse zu wiederholen scheiterten.

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© 1998 WDR Köln , Sendedatum 02. Dezember 1997