Gleichgewichtsstörungen und Gehörlosigkeit sind oft die Folgen einer Schädigung der Sinneszellen im Innenohr, der sogenannten Haarzellen. Bei Mäusen sind Forscher auf ein Gen gestoßen, das für die Entwicklung dieser Zellen von entscheidender Bedeutung ist. Die Entdeckung könnte eine Gentherapie für Schwindel und Gehörlosigkeit ermöglichen.
Von einem "Hörgen" mit dem Namen Math1 berichten Anna Lysakowski und ihre Kollegen vom Baylor College of Medicine in Texas in Science vom 11. Juni 1999. Die Forschergruppe, die sich mit der Entwicklung von Haarzellen bei Säugetieren beschäftigt, konnte bei Mäusen gezielt die Entwicklung der Sinneszellen unterdrücken.
Diese Zellen, die das Gleichgewichtsorgan und die Cochlea im Innenohr auskleiden, sind an der Umsetzung von Kopfbewegungen beziehungsweise akustischen Signalen in Nervenimpulse für das Gehirn beteiligt. Eine Schädigung der Sinneszellen durch Krankheit, Alter, Lärmbelastung, aber auch manche Antibiotika, kann zu Schwindelanfällen und Gehörlosigkeit führen.
Aus Taufliegen ist ein Gegenstück des Gens bekannt, das bei den Tieren in der Entwicklung der Sinneswahrnehmung eine Rolle spielt. Um die Funktion bei Mäusen zu testen, wurden Versuchstiere gezüchtet, denen Math1 fehlt. Die Gewebeentwicklung wurde dann mit Hilfe von Raster- und Transmissions-Elektronenmikroskopen untersucht. Die Mäuse entwickelten weder in der Cochlea noch im Gleichgewichtsorgan Haarzellen, was bei Mausembryonen normalerweise nach ungefähr 18 Tagen der Fall wäre. Es bildeten sich allerdings Zellen, die einen gemeinsamen Vorläufer mit den Haarzellen haben. Anna Lysakowski zieht daraus den Schluß, daß Epithelzellen oder andere Oberflächenzellen ein "Haarzellen-Gen" - möglicherweise Math1 - aktivieren, das für die Entwicklung der Haarzellen unerläßlich ist. "Damit wäre es theoretisch möglich, das Gen anzuschalten, neue Haarzellen ausdifferenzieren zu lassen und das Gen wieder abzuschalten", sagte Anna Lysakowski.
Die mögliche Anwendung dieser und weiterer Erkenntnisse in der Therapie von Hörschäden und Gleichgewichtsstörungen kann nicht übersehen werden, schreiben die Forscher. Dabei müßte jedoch berücksichtigt werden, daß nicht alle entsprechenden Erkrankungen allein auf die Schädigung der Haarzellen zurückzuführen sind.
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