Offener Brief zum Thema
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Prof. Meckel,
im Zshg. mit Überlegungen zur Aufhebung der Rundfunk- und Gebührenbefreiung
für behinderte Menschen werden Sie in der Presse dahin gehend zitiert,
dass hierzu die Notwendigkeit bestünde, weil es eine Entscheidung des Bundessozialgerichts
aus dem Jahre 2000 gebe, die diese Gebührenbefreiung rechtlich rüge
und Abhilfe fordere. Ein entsprechendes Urteil ist mir nicht bekannt und ich
wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir das entsprechende Aktenzeichen benennen
könnten, damit ich nachlesen kann, was ich nicht zu glauben vermag!
Unabhängig vom Timing, um den Jahrestag der Behinderten herum mit einem
solchen Thema in die Öffentlichkeit zu gehen, ist auch die Kausalität
mit der diese besondere Problematik öffentlich behandelt wird geradezu
behindertenfeindlich. Wenn es denn wirklich rechtliche Notwendigkeiten gibt,
muss das ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass man diesen behinderungsbedingten
Nachteilsausgleich 'kassiert', um auf der anderen Seite zugunsten der öffentlichen
Haushalte 105 Mio. EUR einzusparen. Wie es überhaupt in dieser unsäglichen
Diskussion mehr ums Sparen geht, als um elementare Belange behinderter Menschen
an der ebenfalls gesetzlich begründeten Teilhabe dieser Menschen an der
Gesellschaft (menschlichen Gemeinschaft).
Dies zum Allgemeinen; im Besonderen ist festzustellen, dass seinerzeit der Nachteilsausgleich
der Rundfunk- und Gebührenbefreiung geschaffen wurde, damit Menschen, die
aufgrund ihrer Behinderung daran gehindert sind, an öffentlichen Veranstaltungen
uneingeschränkt teilzunehmen, entsprechende Darbietungen wenigstens per
Rundfunk und Fernsehen miterleben können und auch sonst über das wichtige
politische sowie gesellschaftliche Geschehen informiert sind, nicht zuletzt
um ihren staatsbürgerlichen Verpflichtungen gebührend nachkommen zu
können.
Blinde, Gehörlose und andere hörgeschädigte Menschen haben darüber
hinaus das Problem, dass Rundfunk und Fernsehen aller technischen Möglichkeiten
zum Trotz noch längst nicht, wie im jüngsten Bundesgleichstellungsgesetz
gefordert, barrierefrei sind. Die wenigsten Fernseh-Sendungen sind untertitelt
bzw. mit Gebärdensprachdolmetsch-Einblendungen versehen und vom Hörfunk
allein bekommen auch Blinde keine visuellen Eindrücke dieser bunten Welt
mit all ihrer Farbenpracht. Die in ihrer Wahrnehmung visuell und auditiv geschädigten
Menschen wären demnach durch die Aufhebung der Rundfunk- und Gebührenbefreiung
doppelt benachteiligt. Sie müssten für etwas bezahlen, was sie unter
den derzeit gegebenen Umständen noch nicht einmal uneingeschränkt
nutzen könnten. Das kann doch nicht ernsthaft zum wesentlichen Nutzen der
avisierten Neuordnung der Rundfunk- und Fernsehgebühren-Landschaft bzw.
der Entlastung öffentlicher Haushalte sein und fordert weitere höchstrichterliche
Klärungen geradezu heraus.
In der Konsequenz kann das nur bedeuten: Über eine Aufhebung der Rundfunk-
und Fernsehgebühren-Befreiung kann allenfalls nachgedacht werden, wenn
die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren gesetzlichen Auftrag
ggü. Blinden, Gehörlosen und anderen hörgeschädigten Menschen
erfüllen und entsprechende Sendungen und Programme durchgängig barrierefrei
gestalten.
Insoweit bitte ich Sie, Ihre Meinung noch einmal zu überdenken und in den
anstehenden Verhandlungen zur Neuordnung der Rundfunk- und Fernsehgebühren-Erhebung
darauf hin zu wirken, dass der bestehende Nachteilsausgleich für den genannten
sinnesbehinderten Personenkreis nicht aufgehoben wird.
Mit betroffenen Grüßen
Michael Gerber
Diplom-Verw.wirt / Audiotherapeut /
Ehe-, Familien-, und Lebensberater
Wilhelmstal 5b
24768 Rendsburg
Fax: 04331/4595133
e-Mail:gerbermichel@t-online.de
www.Michael-Gerber.de
(Hinweis: Der Unterzeichner ist hörgeschädigt. Zur problemlosen gegenseitigen Verständigung wird möglichst um Kontaktaufnahme per Fax oder E-Mail gebeten. Danke!)