Gehörlosenparty bei RTL

 

Interview von Martin Axel Stutzenbecker mit Britta Meinicke

 

- Fotogalerie -

 

Ich möchte von einem ganz besonderen Ereignis berichten. Am 12. Mai 2001 waren sieben Gehörlose und eine Gebärdensprachdolmetscherin bei der Abschlussparty der dritten Big Brother-Staffel. Das war ein Erlebnis, das ich nicht vergessen kann.

 

Wie kamst du auf die Idee zur Big Brother-Party zu gehen?

 

 

 Der Grund dafür liegt etwa 1 Jahr zurück. Bei der ersten Big Brother-Staffel gab’s immer so ein paar Gehörlose, die das geschaut haben, und bei Gehörlosenveranstaltungen kam plötzlich das Thema auf: Ach, du guckst auch Big Brother, ja ich auch. Dann haben wir beschlossen: Samstagabends, wenn’s drum geht, wer wird rausgewählt, dann treffen wir uns bei einem zuhause und machen ne Party. Wie die Hörenden das auch machen. Per SMS haben wir uns verabredet, es gab Essen und Trinken. Die Parties fanden immer abwechselnd bei verschiedenen Leuten statt, so ungefähr alle 2-4 Wochen. Zum Einzug der dritten Staffel in den Container haben wir sogar eine Dolmetscherin bestellt, und die hat von Anfang bis Ende die ganze Fernsehübertragung gedolmetscht.

 

Fernsehen ist die eine Seite, aber wie kam dann die Idee, zur Abschlussparty zu fahren?

 

 

Verantwortlich ist eigentlich die Silke. Bei einer Big Brother GL- Party sagte sie: „Ich würde so gerne einmal ins Fernsehen, oder ins Studio oder da im Publikum sitzen, und das Ganze mit Dolmetscher. Das wäre doch toll. Da könnten wir auch ein bisschen Öffentlichkeitsarbeit für Gebärdensprache machen.“ Silke wollte dort anrufen, das lief aber ganz chaotisch, die kam nicht durch, kriegte keinen Rückruf ... Es klappte also nicht.

 

Und wie seid ihr dann an die Karten gekommen?

 

 

 Marcus und ich haben uns überlegt, freitagsnachmittags mal auf das BB-Gelände zu fahren, wo auch die Verwaltungsbüros und Studios sind, um dort Karten zu kaufen für das Finale. Wir sind also dorthingefahren, haben uns alles angeschaut, aber einen Kartenverkauf gab’s da nicht. Die Mitarbeiter rannten alle ganz hektisch rum. Ich habe eine Mitarbeiterin angesprochen und nach Karten gefragt, aber sie sagte nur: „Da müssen Sie beim Fernsehen anrufen und die Karten bestellen“ und flitzte wieder weiter. Plötzlich entdeckte ich den Regisseur der Sendung, den Holländer Michael van Dommelen. Ich bin zu ihm hin und habe ihn angesprochen: „Wir sind gehörlos, wir möchten gerne Karten kaufen für das Finale“. Und er sagte auch sofort: „Ja, da müsst Ihr anrufen.“ Wir: „Ja wie denn, wir sind doch gehörlos, wir können nicht telefonieren. Haben Sie vielleicht ein Fax?“ Und er überlegte ein bisschen und gab uns dann seine Faxnummer. Wir waren ganz überrascht. Er sagte: „Jetzt kann man noch keine Karten bestellen, aber zwei Wochen vor dem Finale könnt ihr an mich persönlich faxen. Dann könnt ihr Karten bestellen.“ Wir haben ihm dann noch viel Glück gewünscht, uns verabschiedet und dann überlegt, ob er das wohl ernst gemeint hatte. Auf jeden Fall hatten wir seine Nummer. Und zwei Wochen vor Beginn des Finales haben wir ihm gefaxt. Ganz schnell kam eine Antwort: „Bitte schreibt mir eine Namensliste.“ Wir haben dann alle möglichen Leute gefragt, wer Interesse hat und haben die Namen aufgeschrieben und ihm das gefaxt. Haben gewartet und gewartet, und ein paar Tage vor dem Finale bekam jeder von uns eine Einladung, mit Eintrittskarte und Parkplatzkarten für die Tiefgarage. Wir haben uns gewundert, da stand kein Preis drauf. Tja, es waren kostenlose VIP-Karten, also für besonders geladene Gäste!

 

Ja und an dem Abend von dem Finale, wie ist das gelaufen?

 

 

Wir waren alle total aufgeregt, haben uns überlegt: Was sollen wir anziehen? Müssen wir uns fein machen, wo wir doch VIP-Karten haben, oder können wir ganz locker sein? Wir hatte ja keine Ahnung, wie das ablaufen würde. Und da dachten wir uns, wir ziehen uns mal ein bisschen locker an. Es war auch unheimlich heiß draußen. Vorher haben wir uns alle beim Mexikaner getroffen und was gegessen, damit wir was im Bauch haben, wir wussten ja gar nicht, ob es dort was geben würde. Die Dolmetscherin stieß dann zu uns, wir haben uns noch ein bisschen unterhalten – eine kleine Vorfeier gemacht, sozusagen. Dann sind wir mit der Straßenbahn hingefahren, haben das Gelände auch schnell gefunden, aber dann hieß es: Nein, dies ist der Eingang für die normalen Leute, Sie haben ja die VIP-Karten, Sie müssen durch den anderen Eingang. Das war richtig nobel. Wir mussten die Karten abgeben, die Namen wurden abgeglichen, und wir bekamen dann so Karten zum Umhängen, woraus zu ersehen war, dass wir geladene Gäste waren. Mit dabei waren: Silke Dahm, Melanie Weies , Sylvia Bothmann , Marcus Geich , Britta Rothe ,Michaela Waligora, ....

 

Wir sind zuerst ein bisschen rumgelaufen, und als erstes haben wir Ebru getroffen, eine Teilnehmerin der zweiten Staffel. Ich sagte zu Silke: „Guck mal, die Ebru“. Silke ist ein großer Fan von Ebru, und war deshalb zuerst ganz verschüchtert. Ich dachte nur: Egal, und wir sind zu Ebru hingegangen, ich sagte: „Entschuldigung, wir sind gehörlos“, und sie hat gelacht und hat mir in Gebärdensprache geantwortet! Sie konnte Gebärdensprache! Wir waren total perplex! Wir haben uns also unterhalten: „Ja woher kannst du denn gebärden?“ Sie hat in der Verwandtschaft einen gehörlosen Cousin. Die war richtig nett, und wir fanden das klasse, aber waren auch ein bisschen irritiert, denn im Fernsehen hatte sie natürlich nie gebärdet. Natürlich haben wir auch Fotos gemacht, und sind dann weitergelaufen. Es waren alle Leute da, aus der 1., 2. und 3. Staffel. Alles Gesichter, die man so kennt. Mit ein paar Leuten haben wir uns auch unterhalten.

 

Wart ihr denn dann auch draußen auf dem großen Freigelände, was in der Fernsehübertragung zu sehen war, wo die ganzen Leute standen?

 

 

Ja , die einfachen Besucher, waren ja in einem eingezäunten Gelände, wo auch die Bühne aufgebaut war und über das die Brücke vom Container zur Bühne führte. Dort lief ja das Programm ab. Oliver Geissen (Olli) und Aleksandra Bechtel (Aleks)  haben das ganze dort moderiert. Aber für uns geladene Gäste gab’s eine spezielle Halle, wo eine große Leinwand war, wo das Finale live übertragen wurde. Wenn im Programm Pause war, dann lief Musik und es wurde getanzt. Aber wir konnten auch draußen hin, da wo die große Menge stand. Draußen war es so voll, ganz dicht gedrängt, man konnte kaum was sehen. Wir mussten nur unsere Karten zeigen, wir konnten damit überall hin und wieder zurück in den geschlossenen Bereich. Wir wurden auch ein paar Mal von Leuten angesprochen: Können wir nicht deine Karte haben? Weil die natürlich mal rein wollten um die Stars zu sehen. Aber wir haben unsere Karte nicht weitergegeben an fremde Leute, weil wir sowieso weiter Feiern möchten und  in der  VIP- Halle bleiben möchten

Wir hatten nur eine Dolmetscherin dabei, ich denke, fürs nächste Mal wäre es besser, zwei Dolmetscherinnen mitzunehmen. So war die Dolmetscherin im Haus, aber einige wollten raus gehen, es gab dann ein Gezerre um die Dolmetscherin.

 

Wie sieht in der VIP Halle aus? Wen habt Ihr denn noch so getroffen?

 

 Es gab ein Riesenbuffet, mit Fisch, mit Fleisch, alles vom Feinsten. Ganz schön dekoriert. Das war draußen unter Baldachinen aufgebaut. Getränke, Cocktails – alles kostenlos. Da stand man dann so und aß etwas und schaute sich die Leute an. Wir haben die Moderatorin getroffen, Kai Pflaume haben wir gesehen. Und dann haben wir noch die Besitzerin getroffen von Konrad, dem Schwein, das 12 Wochen mit im Container war.

 

Wir waren natürlich alle total stolz, haben ganz viele Autogramme gesammelt und haben ganz viele Fotos gemacht. Ich finde ja die Hanka so süß. Und Sylvia hat Hanka mehrmals auf der Toilette getroffen, wo Hanka vor dem Spiegel stand und sich wieder aufgebrezelt hat. Na, und wenn du dich zum drittenmal triffst, dann musst du dich auch unterhalten. Und dann hat sie Sylvia gefragt: „Kannst du nicht hören?“ Sylvia: „Nein, ich bin gehörlos.“ Und Hanka fragte dann mit ganz deutlichem Mundbild: „Kannst du ablesen? Was arbeitest du?“ Und Sylvia hat erzählt... die hatten sozusagen eine kleine Unterhaltung auf dem Klo, das war ganz süß.

 

Und ganz besonders nett fanden wir den Frank aus der zweiten Staffel und seine Freundin Alida-Nadine. Wir Gehörlose standen an einem runden Stehtisch, und als beide vorbeikamen, haben wir sie herangewunken. Wir haben ihnen erklärt, dass jeder Big Brother-Mitspieler einen Gebärdennamen bekommen hat. Und wir haben Alida gezeigt, dass ihr Gebärdenname sich auf den Schmuck (Piercing)an ihren Zähnen bezieht, und Franks auf seine spitze Nase. Frank hat sich sehr konzentriert, sich mit uns zu unterhalten, weil ständig Hörende kamen und unterbrechen oder sich einmischen wollten, und er hat immer gesagt: Nee, ich unterhalte mich weiter mit denen hier. Also ich muss ehrlich sagen: Hut ab. Frank hat von sich aus uns dann um eine Adresse gebeten – und wir haben bis heute noch Kontakt mit ihm und schicken uns ab und zu mal e-mails hin und her. Also der ist echt total nett.

 

Das Finale haben wir auf dem Bildschirm verfolgt, mit der Dolmetscherin. Die letzten drei Kandidaten waren ja Wulf, Medhi und Karina. Wir wollten alle gerne, dass Karina gewinnt, und sie hat dann auch gewonnen. Zweiter war Medhi und Wulf war der dritte. Ich glaube, Karina hat gewonnen, weil sie sich als sozialer Mensch gezeigt hatte im Haus. Deshalb waren wir alle Fans von Karina.

Wie lange seid ihr geblieben?

 

 

Melanie, Britta und ich sind ungefähr um halb drei mit dem Taxi nach Hause gefahren. Am Taxistand haben wir noch Medhi getroffen mit seiner Schwester und seiner Nichte, mit denen haben wir uns auch noch ein bisschen unterhalten. Die anderen sind bis 5 Uhr geblieben. Es war eine schöne Party, das können wir einfach nicht vergessen.........

 

Kannst du dir vorstellen, so was noch mal zu machen?

 

 

 Na klar, Gerne!

- Fotogalerie -