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Mainz, den 25.08.1998 / SW


 
 

Spiegel Artikel "Fell über die Ohren", Heft 35, S. 158
 
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Spiegel-Ausgabe Heft 35 Seite 158 ff. erschien der Artikel "Fell über die Ohren", der sich mit der Hörgeräteakustik-Branche befaßt. Neben vielen Unsachlichkeiten enthält der Artikel auch diverse Falschaussagen. Im Einzelnen:

"billiger Versandhandel"

Unabhängig von der Tatsache, daß die Krankenkasse jeweils nur den Festbetrag zahlt, berück-sichtigen Sie in Ihrer Recherche offensichtlich nicht die beim Hörgeräte-Versandhandel anfal-lenden Arztkosten. Der HNO-Arzt rechnet nämlich quartalsweise die Positionen Pauschale, Wiedervorstellung und Kupplermessung bzw. Hörfeldskalierung oder Insitu-Messung bzw. Hörgeräteüberprüfung ab. Diese Kosten schlagen im Laufe von 5 Jahren mit ca. DM 2.500 zu Buche. Der Hörgeräteakustiker hingegen übernimmt in diesem Zeitraum eine kostenlose Nachsorge.

"Im-Ohr-Hörhilfen zum Nulltarif"

Auch Sanomed liefert mittlerweile Hörgeräte mit Zuzahlung im Bereich von DM 2.200,- . Beim Hörgeräteakustiker sind zudem ebenfalls zuzahlungsfreie Hörgeräte erhältlich.

"Einkaufs-, Verkaufspreis"

Uns würde die Grundlage für Ihre Preisbemessung interessieren. Der Einkaufspreis in Höhe von DM 300,- mag für sog. Gruppe 1-Hörgeräte gelten, nicht jedoch für digitale Hörgeräte, die schon im Einkauf DM 1.500,- und mehr kosten.

"kostenlose Reparaturen durch Versandfirma"

Diese Aussage ist absolut falsch. Sanomed läßt sich die Reparaturen genauso vergüten wie der Hörgeräteakustiker. Nach unseren Informationen liegt der durchschnittliche Reparaturwert von Sanomed-Hörgeräten bei ca. DM 270,- bis DM 330,- .

"Verdoppelung der Zahl der verkauften Hörgeräte in 5 Jahren seit 1990"

Wie selbstverständlich übersehen Sie, daß wiedervereinigungsbedingt eine Unterversorgung in den neuen Bundesländern ausgeglichen werden mußte. Zudem spricht schon die von Ihnen veröffentlichte Statistik gegen diese Verdoppelung. Unerwähnt bleibt bedauerlicherweise auch die aktuelle Entwicklung. So ist die Stückzahlentwicklung bei der traditionellen Hörgeräte-versorgung seit 1997 rückläufig. Der Versandhandel verzeichnet dagegen einen starken Zu-wachs.

"beidohrige Versorgung aufschwatzen"

Es ist allein Sache des HNO-Arztes, bei entspr. Indikation eine beidohrige Versorgung zu verordnen. Während im Rahmen der Versandhandels-Hörgeräteversorgung jedoch die beid-ohrige Versorgung die Regel ist (bei einem Zusatzverdienst des Arztes in Höhe von mind. DM 500,- leicht verständlich), erfolgen traditionelle Versorgungen nur zu etwa 40% beidohrig.

"kartellartig organisierte Gesundheitshandwerker"

Diese schon verunglimpfende Behauptung übersieht geltendes Handwerksrecht. Danach kann im gleichen Bezirk nur eine Innung gebildet werden. Sobald eine Bundesinnung existiert, ist die Gründung von Landesinnungen, bei einem so kleinen Berufsstand ohnehin nicht wünschens-wert, daher unzulässig.

"Kosteneinsparungen bei Versandhandels-Hörgeräten"

Auch die Grundlage der von Ihnen vorgetragenen Kosteneinsparungen in Höhe von DM 800,- bis DM 900,- pro Versandhandels-Hörgerät würde uns interessieren. Die Krankenkassen zahlen nämlich jeweils, unabhängig vom Versorgungsweg, nur den Festbetrag.

"Billigofferte von Sanomed"

Bei Ihrer Lobpreisung der Versandhandelsversorgung bleiben die eigentlich Betroffenen unberücksichtigt. Den Hörgeschädigten wird nicht nur die vergleichende Anpassung, das Herzstück bei der Hörgeräteversorgung, vorenthalten. Auch die Beratungsqualität sinkt ganz erheblich. Der Patient bekommt ein fertiges Hörgerät vorgesetzt. Eine Vorauswahl unter Berücksichtigung der vorliegenden Schwerhörigkeit entspr. den Wünschen des Kunden, seines sozialen Umfelds sowie der anatomischen Verhältnisse findet nicht statt. Zur Qualität der Sanomed-Hörgeräte hat sich, wie richtig festgestellt, Herr Rohweder ausführlich geäußert. Eine Auseinandersetzung mit dem dazu existierenden Gegengutachten des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vermißt man leider. Auch die Ihnen vielfach dokumentierten Schlechtleistungen von Sanomed wurden wissentlich von Ihrem verantwort-lichen Redakteur unterschlagen. Den Vorgang AOK Thüringen (sechsstellige Rechnungs-kürzung durch Sanomed nach Sanktionsandrohung der AOK) möchten wir nur am Rande erwähnen.

"Brandstifter kamen kurz vor Mitternacht"

Ein ergänzender Hinweis, daß damals auch gegen Sanomed selbst ermittelt wurde, hätte zum Verständnis beigetragen, wäre aber natürlich nicht im Sinne des Artikels.

"hochprofitables Zuzahlungsparadies"

Bei ca. 50.000 von Sanomed abgegebenen Hörgeräten fragt sich, wer hier den Profit macht.

"Studie des Bundesgesundheitsministeriums"

Es wurde in der Vergangenheit bereits nachgewiesen, daß diese Studie mangels Vergleichs-möglichkeiten der Versorgten nicht aussagekräftig ist.
 
 

Wir bedauern außerordentlich, daß eine angesehene Zeitschrift wie der Spiegel so derart unsachlich und unseriös berichtet. Mit der Art Ihrer Darstellung erwecken Sie den Eindruck, bei Hörgeräten handele es sich um bloße Handelsartikel. Die Dienstleistungstätigkeit des Hörgeräteakustikers, die wesentlich ist für eine erfolgreiche und zufriedenstellende Hörgeräte-versorgung zum Wohle des Hörgeschädigten, wird mit keinem Wort gewürdigt. Die gesamte Branche wird vielmehr pauschal abgewertet.

Hochachtungsvoll

BUNDESINNUNG DER HÖRGERÄTEAKUSTIKER KdÖR
 
 
 

(Jürgen Matthies) (RA M. Schulte Westenberg)
Stv. Bundesinnungsobermeister Stv. Geschäftsführer