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Taube Nuss

Sex sells (Sex verkauft sich gut). Das weiß natürlich auch Alexander Görsdorf, und deshalb ist schon das dritte Wort in seinem neuen Buch "SEX", und damit "Thema Nr. 1" das erste Thema im Buch. Ist ja auch wirklich ein wichtiges Thema. Aber wer macht sich schon Gedanken darüber, dass es bei Hörgeschädigten Andersartigkeiten im sex life gibt? Sex ohne Brille ist klar, aber Sex ohne Hörgeräte? "Ohne Ton ist meine Partnerin für mich einfach nicht so ganz da," stellt Alexander fest. Also geht der erste Griff nicht zum Kondom oder zum Lieblingsspielzeug, sondern zum Hörgerät. Und eine neue Partnerin muss erstmal eingewiesen werden in die Besonderheiten des Liebeslebens mit einem Schwerhörigen, sonst kann es passieren, dass sie bei Umarmungen erstarrt, weil die Hörgeräte piepen, oder in Panik hochschreckt, wenn der Vibrationswecker unter dem Kopfkissen losgeht. Anders herum kann es aber auch passieren, dass man fäschlicherweise für einen Casanova gehalten wird, weil man der Gesprächspartnerin "an den Lippen hängt" - um besser ablesen zu können - und dafür von deren Freund fast eine Tracht Prügel einsteckt. Ein Beuteschema hat Alexander auch: Nicht etwa Rothaarige, Langbeinige oder Großbusige, sondern: "Ich habe nur Freundinnen mit tiefem Timbre. Versteh ich einfach besser."

Beispiele ohne Ende, von der Kindheit mit "Stille Post", ein Horror für Schwerhörige, über die Jugend mit der "Beckenrandherumhängerei" im Schwimmbad (im Wasser gibt's ohne Hörgeräte keine Kommunikation mehr!) bis hin zu Liebes- und Berufsleben. Alexander schreibt in einer unnachahmlichen Mischung von leidvollen Erfahrungen, Selbstironie und Selbstbewusstsein - so, wie man es aus seinem Blog "not quite like Beethoven" kennt. Als Schwerhöriger erkennt man sich in unendlich vielen Situationen wieder, und als "Flotthöriger" gewinnt man ungeahnte Einblicke in das Leben von "TAUBE NUSS" - NICHTGEHÖRTES AUS DEM LEBEN EINES SCHWERHÖRIGEN - so der Titel des Buches.

Moment, "Flotthöriger"? Richtig, Alexander betätigt sich so ganz nebenbei als Wortschöpfer. Hörender, Normalhörender, Guthörender? Passt alles irgendwie nicht und ist zudem einfach zu bierernst. Also erfindet Alexander mal eben den "Flotthörigen". Über den kann man doch wenigstens schmunzeln. Auf der anderen Seite dann diejenigen, die mit "schlechter Audio" leben, gleichzeitig aber "Aufmerksamkeitsduschen" sind, weil sie sich auf den Gesprächspartner konzentrieren und der sich wertgeschätzt fühlt.

Macht einfach Spaß, die TAUBE NUSS zu lesen. Vieles geht unter die Haut, oft muss man aber auch lauthals lachen. Da wird nichts schöngeredet, nichts verschwiegen ("ich erstarrte vor Angst", "versteckte mich regelmäßig in der Toilette"), aber Alexander zeigt auch auf, welche Möglichkeiten er gefunden hat, ein freudvolles Leben MIT der Hörschädigung zu führen.

An manchen Stellen könnte es allerdings noch unbeschwerter sein, und da wundert man sich, dass der Grimme-Preis-Blogger die technischen Möglichkeiten nicht nutzt. Kopfhörer werden in seinem Buch erwähnt, aber keine Untertitel. Sind aber vielleicht eine Selbstverständlichkeit. Eine Anekdote handelt davon, dass er Hörgerät und CI ausgeschaltet hat und seine Freundin eine Stunde lang vergeblich an der Wohnungstür klingelt, 32mal! Eine Lichtklingel hätte ihr da viel Frust erspart. Allerdings wäre dann auch das Kapitel "Freuden der Dämpfung" ausgefallen. Ausgefallen wären auch die witzigen Telefon-Kapitel, in denen Alexander sich abmüht, Sätze wie diesen zu verstehen: «Ich VANND KA AMAACHLA TSKA OSE MANNAB. UND DARUM ANE TAOAMO IDA. NÄCHSTE WOCHE.» Er ist so froh, mit CI wieder selbstständig telefonieren zu können, und dann das! Ob da nicht ein Relay Service à la TESS ganz hilfreich wäre? So einige eigentlich ungewollt komische Erlebnisse könnte man sicher umschiffen.

Womit wir beim Thema Cochlea Implantat (CI) wären. Kaum jemand hat so dezidiert und detailliert Stellung bezogen gegen das CI - und sich dann doch eines implantieren lassen. Sinneswandel? Nein, er hat sehr klug Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen und dann seine ganz persönliche Entscheidung gefällt. Über sein "neues Leben als Cyborg" hat er in seinem Blog ausführlich berichtet, und im neuen Buch natürlich auch: "Das elektrische Ohr - Ein Tagebuch". Da hatte er sich im Laufe der Jahre zu einem ganz und gar visuell orientierten Menschen entwickelt, und nun stellt er fest, dass man "per Hören ganz unmittelbar in der Welt ist... Sehend tut sich die Welt vor einem auf. Man ist nicht mittendrin, sondern immer an einem ihrer Enden... Hören bringt so ein 360-Grad-Gefühl mit sich." "Die Operation, die mich zum Cyborg machte, war weder lebensnotwendig noch ein Ticket ins Glück." Die neugierigen Blicke seiner Mitmenschen nerven ihn: "Am liebsten aber hätte ich eine kleine Antenne, die ich auf Knopfdruck ausfahren kann, wenn ich merke, dass jemand guckt. Ha!" Ihm ist klar, dass er als CI-Träger immer zwischen den Welten bleiben wird, dass "das Leben mit CI ein ständiger kleiner Grenzverkehr ist". Aber das kennt er ja schon vom Leben als Schwerhöriger. Nicht nur als "Furzfrühwarngerät" ist das CI hilfreich. ;-) "Meine Welt ist bevölkerter, ich bin in der Öffentlichkeit mehr da. Und das macht Spaß!"

OK, die ganz individuelle Entscheidung eines Schwerhörigen, der nach und nach ertaubte und durch das CI in die Welt des Hörens zurückkehren konnte. Für Leute mit "schlechtem Audio" seiner Couleur sicher eine Entscheidungshilfe. Was bei aller Begeisterung für das Buch allerdings auffällt: Alexander scheint der einzige Hörgeschädigte zu sein, der in dem Buch vorkommt. Keine hörgeschädigten Freunde oder Freundinnen, kein Schwerhörigenverein, kein Gehörlosensportverein, keine Gebärden - wo doch LBG heutzutage selbst in Schwerhörigen-Selbsthilfegruppen selbstverständlich sind - und nicht einmal das Fingeralphabet. Ist ja auch alles nicht Pflicht. Alexander lebt halt als taube Nuss unter den hearies. Wie Beethoven eben, aber not quite. ;-)

TAUBE NUSS ist zwar chronoligisch aufgebaut, beginnend in der Kindheit bis hin zum Berufsleben. Wer einen durchgehenden Roman erwartet, ist aber an der falschen Adresse. Es handelt sich um eine Sammlung von Erlebnissen und Anekdoten. Die haben es aber in sich. So IM TEAM - nein intim! - (auch so kann man ein eindeutiges Angebot seiner Freundin missverstehen ;-) hat bisher kaum jemand Einblicke ins Leben von Schwerhörigen, Ertaubten und CI-Trägern gewährt. Und das so humorvoll! Nosce te ipsum! (Erkenne dich selbst!) Das wussten schon die ollen Römer, und dabei kann dieses Buch Betroffenen helfen. "Flotthörigen" hilft es, die unsichtbare und so oft unverstandene Behinderung Hörschädigung nachzuempfinden und zu verstehen. Ein Buch also, sehr empfehlenswert sowohl für deafies als auch für hearies!

Kaufen bzw. bestellen können Sie das Buch ab 2. September im Buchhandel oder z.B. auch hier.
 

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