1848 - 1914, das war eine bewegte Zeit, auch und gerade für die
Gehörlosenbewegung. Wurden Gehörlose vordem nur als Objekte
medizinischer und karitativer Bemühungen gesehen, so entwickelten
sie sich in dieser Zeit mehr und mehr zu selbständigen und
selbstbewussten Staatsbürgern. 1848 wurde der erste
Gehörlosenverein gegründet, 1913 waren es schon fast 300. In der
Kaiserzeit mischten sich die Gehörlosen in die Bildungspolitik ein
und forderten den Einsatz der Gebärdensprache in den Schulen.
"In der folgenden Debatte wurden die Gehörlosen von den
einflussreichen Taubstummenlehrern zurechtgewiesen: sie hatten aus
der Sicht der Lehrer nicht die nötigen Kenntnisse um zur
Methodenfrage eine Meinung zu vertreten. Als die Gehörlosenbewegung
sich mit einer Petition an den Kaiser wandte, wurden sie mit
Hinweis auf den Expertenstatus der Lehrer abgewiesen." - Eine
spannende Geschichte, und man fragt sich, ob sie heute wohl
abgeschlossen ist.
Ylva Söderfeldt hat dieses Kapitel der Deaf History genau unter
die Lupe genommen und darüber ihre Doktorarbeit geschrieben: "Aus
der Pathologie in die Öffentlichkeit - Die deutsche
Gehörlosenbewegung 1848–1914". Bemerkenswert und sicherlich
sehr hilfreich: Frau Söderfeldt ist nicht Gehörlosenpädagogin,
sondern lehrt Medizingeschichte am Universitätskrankenhaus Aachen.
Ihre Sicht ist also nicht getrübt durch die eine oder andere
Ideologie.
Bestellen können Sie das Buch hier: From Pathology
to Public Sphere
Eine wahrhaft internationale Dissertation! Frau Söderfeldt ist
Schwedin und hat ihre Arbeit über die deutsche Gehörlosengeschichte
an der Uni Stuttgart auf Englisch geschrieben. Leider ist sie
dadurch nur wenigen Gehörlosen zugänglich, aber es gibt im Anhang
des Buches wenigstens eine Zusammenfassung in deutscher
Sprache: