Größer kann der Unterschied kaum sein. Gehörlose bejubeln den Tatort "Totenstille", von vielen hörenden Kritikern wird er verrissen. "Gut gemeint, schlecht gemacht" ist dabei noch eine der harmlosesten Formulierungen. "Der Erklär-Bär aus Saarbrücken" ist da schon bissiger. "Mit dem Holzhammer wird für Verständnis für Gehörlose geworben." Das ist der Hauptkritikpunkt: Es wurden einfach zu viele Informationen über Gehörlose in einen Krimi gestopft. Schon im Vorspann geht es los mit dem CI, und in die 90 Minuten werden Gallaudet, Geschwisterproblematik, Gebärdensprache, CI pro und contra, gehörlos statt taubstumm usw. usw. gepackt. Gehörlose finden das großartig: Endlich werden Hörende über sie und ihre Welt informiert, und das zur besten Sendezeit. Viele Hörende waren übersättigt von dieser Flut von Informationen. Sie fühlten sich schulmeisterhaft belehrt, und dagegen kann man nur aufbegehren. Immerhin haben fast 10 Millionen Zuschauer geguckt, mehr als bei Til Schweiger! Aber was sagt das schon?*
In einem Kritikpunkt sind sich aber Gehörlose und Hörende einig: Dass der gehörlose Ben so perfekt von den Lippen ablesen kann, ist höchst unwahrscheinlich. Von Ausnahmebegabungen wie Julia Probst darf man da wirklich nicht ausgehen! In Bezug auf das Absehen wird den Zuschauern ein total falsches Bild vermittelt. Und auf diesem falschen Bild basiert der ganze Handlungsstrang. Kein Wunder, dass viele Zuschauer die Handlung unglaubwürdig fanden. Unglaubwürdig auch der Schluss: gehörlose Tatverdächtige küsst hörenden Kommissar. Bleibt nur zu hoffen, dass für einige der 10 Mio Zuschauer trotzdem eine kleine Brücke zu den Tauben gebaut wurde.
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