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- kotz! brech! würg! -

Eine Dolmetscherin zum BILD-Artikel Fauler Trick mit der Gebärdensprache

Gestern "flatterte" mir doch ein Artikel aus der Bild-Zeitung per Fax auf den Tisch. Der Artikel erschien am 8.Juni in der regionalen Thüringer Ausgabe. Da ich kein "Stammleser" dieses Blattes bin, ist es nun schon ein paare Tage her, habe ich erst jetzt von solch tolle Zeilen erfahren:
 
Drückeberger melden rare Berufe
Fauler Trick mit der Gebärdensprache
 
Gera - Geheimtip der Faulpelze unter den Arbeitslosen. Findet einfach einen ganz seltenen Beruf, beim Arbeitsamt angeben und Du hast Ruhe.
Der Fall: Im "Bürgerfernsehen " Gera läuft ein neues Projekt für Gehörlose. Dazu wird ein Gebärdendolmetscher gebraucht.
Wasiliki Chalastra-Noack (44) vom Trägerverein des Projektes: "Seit Januar haben wir gesucht. Er soll die TV-Bilder kommentieren."
Alles vergeblich: Drei Damen und zwei Herren schickte das Arbeitsamt - aber die Zeichensprache für Gehörlose beherrschte keiner. Sie kassieren also weiter Arbeitslosengeld.
Das Problem: Gebärdendolmetscher ist kein anerkannter Ausbildungsberuf. Jeder darf sich so nennen.
"Beim Arbeitsamt hat man sich wirklich Mühe gegeben" sagt die Projektleiterin. "Ich habe auch noch über Bekannte und Vereine 30 Leute angesprochen. Aber entweder sie beherrschten die Gebärden nicht, oder sie wollten nicht nach Gera."
.........usw.
 
ENDE
 
Ist das nicht "KLASSE"???
Das Stellengesuch des "Bürgerfernsehens" ist im Taubenschlag am 16.05.00 angzeigt worden. Ab 1. Juni dann die Stelle zu vergeben. "Klasse"!!!! Es steht natürlich nicht dabei, daß die Stellenausschreibung ausschließlich für ARBEITSLOSE GSD gilt. Der Job ist befristet und in Vollzeit angeboten. WARUM???? Ja klar, nur dann gibt es den vollen Fördersatz vom Arbeitsamt. Daher lief die Stellensuche ja auch über´s Arbeitsamt. Nicht, daß wir uns falsch verstehen; ich habe nicht´s dagegen, wenn Unterstützung von Stadt, Land oder Staat oder wie auch immer genutzt wird. Schließlich sind die Programme zur Arbeitsplatzsicherung, -erhaltung und -schaffung durchaus sinnvoll.
Aber dieser Artikel !!! Das klingt, als gäb es hier keine arbeitswlligen GSD.

Es heißt übrigens GEBÄRDENSPRACHDOLMETSCHER und nicht GEBÄRDENDOLMETSCHER! Abr das nur am Rande! "Zeichensprache" - noch so ein Beispiel!!

Es stimmt, Gebärdensprachdolmetscher (GSD) ist bis jetzt kein anerkannter Beruf. Das hängt mit der fehlenden Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständige Sprache hier in Thüringen zusammen. In einigen Bundesländern ist die Anerkennung ja bereits erfolgt und auch in Thüringen steht dies bevor. Das heißt aber nicht, daß sich jeder Gebärdensprachdolmetscher nennen darf. Die hier tätigen GSD haben alle eine Prüfung vor dem Landesverband der Gehörlosen Thüringen e.V. oder entsprechend in einem anderen Bundesland abgelegt. Desweiteren gibt es an einigen Fachhochschulen und Universitäten bereits Studiengänge zum Gebärdensprachdolmetschen um den wachsenden Ansprüchen im Zuge der Anerkennung der Gebärdensprache gerecht zu werden. Daran nehmen derzeit auch GSD aus Thüringen teil.

Laut Aussage des Herrn Scholz (Arbeitsamt Gera) wurden entsprechend der Ausschreibung des Bürgerfernsehens gebärdensprachkompetente Damen und Herren zur Vorstellung geschickt - keine GSD! Ausnahmslos alle GSD in meinem Umfeld sind aktiv in ihr Arbeitsleben integriert und können nicht mal eben schnell in die Arbeitslosigkeit wechseln um eine zeitlich von vornherein begrenzte Arbeit aufzunehmen, die durch die geplante Vollzeit auch keinen Raum für andere Aufträge läßt. Das Arbeitsamt hatte somit kaum Möglichkeiten, genügend qualifizierte GSD zu schicken. Diese sind nicht arbeitslos und dem Arbeitsamt gar nicht bekannt.

Klar, ich habe sofort an die Bild-Zeitung geschrieben und auch dem "Bürgerfernsehen" und dem Arbeitsamt entsprechend ein paar Zeilen zukommen lassen.

Aber sagt doch mal, was denkt Ihr über diesen Artikel???? Das kann man doch so nicht annehmen, nicht als GSD und auch nicht als Hörgeschädigter, oder ???

Weiterhin fehlen mir die Worte und ich glaube, dies sind vorläufig genug Worte um den Frust zu zeigen. Für Reaktionen und Meinungen bin ich dankbar, damit der Idealismus und die Power nicht ganz verloren gehen. Diese Art der "Berichterstattung" ist nun nicht gerade dem Bild der Gebärdenwelt förderlich!!!

Zum Ko..... und reaktionsbdürftig!

Susanne Günther-Wick  GSD aus Thüringen

susanne_guenther-wick@t-online.de

www.gsel.com/sgw