Impuls für Bildungsangebote im Internet
- Bernd Rehling, Referat für den Euro-Workshop in Klagenfurt, Februar 1999 -

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich will ohne lange Vorrede mitten ins Thema hineinspringen. Ich bin Mitbetreiber der deutschen Website http://www.taubenschlag.de . Wir arbeiten eng zusammen mit allen anderen deaf sites, besonders aber mit http://www.gehoerlos.de . Unsere sites sind miteinander verzahnt, und der Taubenschlag übernimmt das sogenannte "Café" von gehoerlos.de. Im Café findet ein reger Meinungsaustausch unter Gehörlosen statt, zu den verschiedensten Themen. Ich will Ihnen ein Beispiel zeigen aus der letzten Woche: Terror. Unter dieser Überschrift wurde über die Ereignisse der letzten Tage diskutiert, über Demonstrationen und Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit der Entführung des Kurdenführers Öcalan. Die Meinungsäußerungen der Gehörlosen lesen sich mehrheitlich wie Tiraden von Rechtsradikalen: alle Kurden ausweisen, Rübe ab bei Öcalan und am besten gleich noch bei seinem Bruder. Oder im Kraftwerk verheizen. Erschreckend! Rigidität und Schwarz-Weiß-Weltbild, wie aus einem klassischen Lehrbuch zur Psychologie der Gehörlosen. Schaut man jedoch genauer hin, findet man auch Fragen. Fragen nach dem Hintergrund des Geschehens. Und das dürfte der eigentliche Grund sein für die undifferenzierten Meinungsäußerungen: Es ist kaum Hintergrundwissen vorhanden. Wer sind die Kurden, wo leben sie, welche Sprache sprechen sie, welche Geschichte haben sie, was geschieht mit Ihnen in ihren Heimatländern? Und hier stoßen wir dann auf die Wurzeln des Übels: Man hat es den Gehörlosen nicht beigebracht. Wenn man zudem bedenkt, daß nur eine kleine Elite innerhalb der Gehörlosengemeinschaft im Internet anzutreffen ist, kann man sich ausmalen, wie es um den Rest der Deaf Community bestellt ist.

Soweit die Begründung des Bedarfs massiver Bildungsangebote für Hörgeschädigte. (Von Reformen in der Gehörlosenbildung will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen.) Wie kann Abhilfe geschaffen werden? Bleiben wir im gleichen Medium, im Internet, und ich zeige Ihnen ein ganz anderes Beispiel. Vor ein paar Tagen meldete sich bei mir per ICQ (ein Programm, das es ermöglicht, andere Surfer online anzusprechen) eine unbekannte "Milk Lady" (nicknames sind im Internet üblich) und bat um Hilfe. Ich schaute unter ihren persönlichen Informationen nach und stellte fest, daß es sich um eine fünfzehnjährige Australierin handelt. Sie saß an ihren Hausaufgaben und brauchte Hilfe. Also habe ich ihr kurzerhand einige englische Texte ins Deutsche übersetzt – und der jungen Dame am anderen Ende des Globus war geholfen.

Dies nur als EIN Beispiel für eine unendliche Vielzahl von Informations- und Bildungsmöglichkeiten im Internet. Das Internet basiert weitgehend auf der Schriftsprache, damit auf dem visuellen Kanal und ist von daher für Gehörlose wie für Hörende zugänglich – wenn, ja wenn die Schriftsprachkompetenz der Gehörlosen nur ausreichend wäre. Nicht nur von englischsprachigen Inhalten sind sie abgeschnitten, auch deutsche Informationen sind ihnen nur bruchstückhaft zugänglich. Wenn die beliebteste Zeitungslektüre für deutsche Gehörlose die BILD-Zeitung ist – wo ist das Pendant im Internet? Es gibt keines, und ob es wirklich so wünschenswert wäre, sei dahingestellt.

Andersherum stellt sich jetzt aber die Frage, ob das Internet mit seinen nahezu unbegrenzten Möglichkeiten nicht zur Bildung der Gehörlosen beitragen könnte. Für Hörende gibt es bereits eine Vielfalt an Bildungsangeboten, im kommerziellen Bereich gibt es die raffiniertesten Schulungsprogramme – und für Gehörlose? Ich habe mich in der letzten Woche noch einmal intensiv auf die Suche gemacht und Meta-Suchmaschinen eingespannt, aber es gibt in dieser Richtung NICHTS!

Was ich Ihnen heute als kleine Anregung vorstellen will, ist bereits vor anderthalb Jahren entstanden. Das gilt im Computerbereich als uralt. Neue Versionen von Programmen erscheinen jeweils in Abständen von wenigen Monaten. Da es jedoch noch nichts Neueres gibt, hat unser Projekt "NILI, das kleine Nilpferd", immer noch eine gewisse Vorreiterfunktion.

Ich greife im folgenden auf einen Artikel zurück, den ich für die Zeitschrift hörgeschädigte kinder geschrieben hatte.



 
Im Rahmen dieser Tagung, und über den individuellen Aspekt hinausgehend, möchte ich folgende Zielvorstellungen aufzeigen: